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Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Titel: Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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schüttelte den Kopf. »So geht das nicht. Wir haben kaum Platz auf dem Boot und du packst den halben Hausstand ein! Wir können nur das Allernötigste mitnehmen.« Und schon begann er, all die mühsam zusammengesuchten Sachen wieder auszupacken. Lina sah ihm stumm zu.
    Am Ende blieben zwei handliche Bündel übrig, zu denen Alexander noch etwas Proviant und zwei Wasserflaschen packte.
    »Das muss reichen«, entschied er. »Wenn wir Glück haben, sind wir morgen Abend alle schon wieder zu Hause.«
    Der Morgen dämmerte gerade erst, als sie durch Nelsons Straßen zum Flussufer liefen. Über ihnen zog ein einsamer Vogel seine Kreise.Mr Bensemanns kleine Hütte stand in der Nähe des Ufers, sanft schwappten Wellen ans Ufer. Noch war nichts zu hören, kein Rauch kräuselte sich aus dem Schornstein, kein Geschirr klapperte. Anna und ihr Vater schliefen sicher noch.
    Leise, um niemanden zu wecken, ließ Alexander das Boot zu Wasser. Das waka bestand lediglich aus einem flachen, ausgehöhlten Baumstamm, der ordentlich von Rinde und Ästen befreit worden war. Es wies keine der Schnitzereien auf, die Lina schon bei größeren Kanus gesehen hatte, und bot zwei Plätze zum Sitzen. Zwei Paddel, die wie ein spitz zulaufendes Blatt geformt waren, lagen darin und zwei lange Stecken.
    Das waka war sehr schmal; Lina befürchtete, das Gleichgewicht nicht halten zu können und im nächsten Moment ins Wasser zu plumpsen. Hoffentlich sah sie nicht gar zu albern aus, wie sie in ihrem langen Rock auf allen vieren ans vordere Ende krabbelte.
    Sie hatte sich kaum hingesetzt und den Rock gerichtet, als Alexander ihr auch schon die beiden Bündel reichte, die sie mitnehmen wollten. Nur einen länglichen Gegenstand, der in ein Tuch eingeschlagen war, verstaute er selbst. Lina erkannte die Form: ein Gewehr. Was wollte er denn mit einem Gewehr? Sie biss sich auf die Lippen, um ihn nicht danach zu fragen. Wenn sie gleich mit dem Nörgeln anfing, würde er sie womöglich doch nicht mitnehmen.
    Der Boden unter ihr schwankte bedrohlich, als Alexander das Boot ins Wasser schob und einstieg.
    »Wir müssen gegen die Strömung fahren«, sagte er. »Das bedeutet, wir müssen ordentlich paddeln. Und später wahrscheinlich staken. Schaffst du das?«
    »Natürlich«, erklärte sie und griff nach einem der beiden Paddel.
    Zum Glück war die Strömung nicht stark. Aber auch so hatte Lina Mühe, in dem schwankenden Boot ihr Gleichgewicht zu halten. Alexander hinter ihr gab ihr kurze Anweisungen, wie sie das Paddel richtig zu bedienen hatte. Zweimal links, zweimal rechts. Links, links, rechts, rechts. Immer im Takt.
    In den ersten Minuten glaubte sie, sie werde nie den richtigen Rhythmus finden. In dem niedrigen Boot saß sie gefährlich nah an der Wasseroberfläche; ab und zu konnte sie Fische darunter sehen. Vor allem Aale; die dunklen, schlangenähnlichen Leiber mit den kurzen Flossen waren über einen Meter lang, manche sogar noch länger. Anfangs achtete sie nur angespannt darauf, das Paddel richtig einzutauchen, sich nicht übermäßig vollzuspritzen und vor allem nicht ins Wasser zu fallen. Sie wagte nicht einmal, sich umzudrehen.
    Aber allmählich wurde sie sicherer, ihre Anspannung legte sich. Die Sonne war aufgegangen und glänzte über dem Wasser. In den Häusern und Hütten entlang des Flusses arbeiteten ein paar Frauen in ihren Gemüsegärten und im Gebüsch am Uferrand sah sie einige Enten mit dunklem Gefieder. Es war schön hier. Für eine Weile vergaß sie sogar, dass sie nicht zum Vergnügen unterwegs waren.
    Fast lautlos glitten sie über den morgenstillen Fluss, über dem hier und da ein paar Nebelschwaden schwebten. War ihr in der Morgenkühle noch etwas kalt gewesen, so wurde ihr durch das Paddeln bald warm. Inzwischen hatte sie ihren Rhythmus gefunden. Jetzt traute sie sich sogar, kurz nach hinten zu sehen.
    Alexander kniete hinter ihr im Heck. Seine Bewegungen mit dem Paddel wirkten mühelos, fast ohne Anstrengung.
    »He!«, erklang dann seine Stimme. »Pass auf da vorne!«
    Lina drehte sich rasch wieder nach vorne. Das waka driftete nach links und drohte, sich im Ufergestrüpp zu verfangen. Im letzten Moment konnte sie es wieder in die Flussmitte steuern. Schamrot beugte sie sich vor und paddelte weiter.
    Lina hatte sich diese Reise etwas anders ausgemalt. In ihrer Vorstellung hatten Alexander und sie neben ihrer Suche nach den Kindern bequem im Boot gesessen und sich unterhalten. In der Wirklichkeit bestand der Großteil des Tages

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