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Die Rueckkehr der Phaetonen

Titel: Die Rueckkehr der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
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Sprache noch?«
    »Nur sehr schlecht«, erwiderte Lucius. »Dein Unterricht war nicht umsonst. Merkwürdig, dass ich mich jetzt daran erinnern muss - ich dachte, das werde ich niemals tun müssen.«
    »Wissen ist niemals umsonst«, sagte Muncius. Er öffnete seinen Notizblock und legte ihn auf das Knie. »Da, sieh mal. Die Inschrift besteht aus drei Zeilen. Der erste Buchstabe in der ersten Zeile ist erhalten. »Das ist ein großes >H<.
    Danach kommen zwei kleinere Buchstaben - ein >e< und ein >l<. Also haben wir einen Anfang eines Wortes - >Hel...< Danach kommt eine große Leerstelle, und dann wieder drei Buchstaben nebeneinander: >i<, >o<, >n<. Der Größe der Buchstaben und der Länge der Zeile nach zu urteilen ...«
    »Warte«, unterbrach Lucius. »Vielleicht endet die Zeile gar nicht mit dieser Silbe, diesem >ion    »Doch, das tut sie - das kann man eindeutig sagen. »Hinter dem >n< kommt die Kante der Marmorpyramide, und sie ist sehr deutlich zu sehen. Also, nach der Länge der Zeile könnte man schließen, dass in dieser großen leeren Stelle dazwischen noch etwa vierzehn Buchstaben waren - aber ein einzelnes Wort, das zu diesen Buchstaben passt und so lang ist, gibt es nicht. Das heißt, diese leere Stelle muss auch Intervalle zwischen den Worten enthalten. An den Stellen der elften und zwölften Buchstaben kann man ein paar undeutliche Linien erkennen, die einen Grund zu der Annahme geben, dass hier die Buchstaben >e< und >t< waren, die nebeneinander lagen. Wenn wir das berücksichtigen, können wir mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass diese erste Zeile >Held der Sowjetunion< lautet. Du weißt ja, dieser Titel wurde den Menschen in den ersten Jahrhunderten der kommunistischen Ära verliehen, für Taten von wirklich herausragendem Heroismus.
    Nun zur zweiten Zeile. In ihr sind, wie du siehst, nur vier Buchstaben erhalten und diese liegen nicht nebeneinander. Außerdem ist es nicht möglich, die Länge dieser Zeile zu bestimmen und auch nicht die Lage der zweiten Zeile relativ zur ersten. Alles, was wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass es die zweite Zeile war und nicht die dritte. Und das ist sehr wichtig. Man sieht das große >I<, und dahinter kleine >n<, >w< und >a<. Wenn wir die erste Zeile richtig gelesen haben - und daran zweifle ich nicht - dann könnte es der Name und der Vatersname des Helden sein. Wir können weder das eine, noch das andere lesen. Das große >I< könnte eventuell bedeuten, dass der Held Iwan hieß, ein Name, der vor tausenden von Jahren genauso verbreitet war wie jetzt.
    Und die dritte Zeile. Hier versteckt sich nämlich das Wichtigste und Interessanteste. Die Zeile war, wie du siehst, mit gleichen Großbuchstaben geschrieben. Drei Buchstaben nebeneinander - >W<, >0< und >L<, dann eine Leerstelle von der Größe etwa dreier Buchstaben und dann ein >S<. Also >WOL...S<. Aber glücklicherweise haben wir die unumstößliche Tatsache, dass zwischen dem >W< in der dritten Zeile und dem >H< in der ersten der gleiche Abstand ist wie zwischen dem >S< in der dritten und dem >n< in der ersten Zeile.«
    Die letzten Worte sprach Muncius mit unverhohlenem Triumph in der Stimme. Lucius sah ihn staunend an. »Was sagt es uns denn?«, wollte er wissen.
    »Das ist die Lösung des Rätsels. Es geht darum, dass die Inschriften auf den Grabsteinen normalerweise so gemacht wurden, dass die Zeilen zueinander symmetrisch waren. Daher auch der Schluss, dass wir es in der dritten Zeile mit einem kurzen Wort aus sieben Buchstaben zu tun haben, welches mit >WOL< anfängt und mit >S< endet. Das ist doch der Nachname! Weißt du, was das ist?«
    »Ja, natürlich«, sagte Lucius und lächelte. Er kannte diese Gewohnheit seines Vaters, mit anderen Menschen wie mit seinen Schülern zu sprechen.
    »Aber«, fuhr Muncius fort, »dieser Name ist in der Mehrzahl geschrieben, worauf das >S< unmissverständlich hinweist. Und das heißt, ich habe mich bei der ersten Zeile ein wenig geirrt, vor allem was ihre Länge angeht. Kein >Held der Sowjetunion<, sondern >Helden<. Zwei Helden mit gleichem Nachnamen - ich denke nicht, dass es drei oder mehr waren. Offenbar sind es Brüder. Wenn wir uns die Frage stellen, wann und wie es passieren konnte, dass zwei Brüder gleichzeitig den Heldentitel verliehen bekamen und zusammen beigesetzt wurden, dann kommen wir leicht zum Schluss, dass es am ehesten während eines Krieges passieren konnte. Diese Brüder haben gemeinsam gekämpft und ihre Heldentat gemeinsam vollbracht.

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