Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Rueckkehr der Phaetonen

Titel: Die Rueckkehr der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
Vom Netzwerk:
müssten diese Steine ins Labor schaffen und dort versuchen, die Inschriften zu lesen. Sie sind aber so gut erhalten, dass ich es auch gleich hier machen kann.«
    Lucius sah die Marmorstücke zweifelnd an. Auf einigen sah er etwas, was ein wenig an Buchstaben erinnerte, glaubte aber kaum, dass man aus solchen Spuren etwas herauslesen konnte. »Um so besser ...«, fing er an und verstummte.
    Muncius hörte offensichtliches Misstrauen in Lucius’ Stimme und lachte. »Die Buchstaben sind ziemlich verwittert, nicht?«, sagte er. »Aber du hast dennoch sehen können, dass es Buchstaben sind und keine zufälligen Linien. Das heißt, für mich sind sie wunderbar erhalten. Wir müssen immer wieder Inschriften lesen, die ein Laie nicht einmal sehen kann.« Muncius sah die kaum merklichen Unebenheiten auf der Marmoroberfläche immer wieder aufmerksam an und schien immer interessierter. »Bring mir doch mal etwas, womit ich die Längen messen kann, ein Messband oder so. Ja, genau«, sagte er, als Lucius ihm ein biegsames metallisches Lineal gab. »Jetzt schieb diesen Stein bitte etwas zur Seite ... noch etwas mehr ... Ja, so ist es gut.«
    Inzwischen war eine Stunde vergangen. Muncius kroch auf allen Vieren um die Steine herum, ohne sich von der Lupe abzuwenden. An einigen Stellen reinigte er den Marmor mit der Messerspitze, sagte immer wieder irgendwelche Worte oder Sätze, eindeutig ohne sich darum zu kümmern, ob ihm jemand zuhörte oder nicht. Der alte Archäologe hatte alles vergessen außer seiner Arbeit, in die er komplett versunken war. »Da ist der erste Buchstabe«, murmelte er, »und noch zwei dahinter, wenn es natürlich das erste Wort ist, scheint aber so zu sein ... Ein großes Stück fehlt... Schade! Wieder drei Buchstaben, alle nebeneinander ... Alles, was von dieser langen Zeile übrig geblieben ist... Zweite Zeile ...
    Ja, genau, die zweite ... Mist. Nur vier Buchstaben ... nicht sehr viel. Ja, wirklich nicht sehr viel! Die Länge dieser zweiten Zeile ... kann man nicht bestimmen ... Noch schlimmer! Naja, macht nichts. So, was ist noch tiefer? Große Buchstaben ... nur drei... dafür alle nebeneinander. Sehr gut! Jetzt ist das Rätsel klar. Alles klar! Hervorragend. Dachte ich mir doch ... Kleiner Zwischenraum, und noch ein Buchstabe ... Und das da? Wunderbar! So, das wär’s.«
    Er nahm einen Notizblock aus der Tasche und zeichnete alle Linien ab, die er verstehen konnte. Dann begann er, die Abstände zwischen den nur für ihn verständlichen Punkten mit dem Lineal zu messen. Lucius sah ihm interessiert zu. Schließlich stand Muncius wieder auf und klopfte sich den Sand von den Knien. »Ich bin sogar ein wenig enttäuscht, Lucius«, sagte er. »Die Aufgabe war ganz einfach. Von dieser Inschrift ist so viel erhalten, dass es überhaupt kein Verdienst ist, sie gelesen zu haben. Nicht der geringste Verdienst. Setzen wir uns hin«, fügte er hinzu und ließ sich etwas abseits von den Steinen auf das Gras nieder. »Jetzt kann ich dir erklären, was es ist.«
    Lucius setzte sich auf den größten Marmorstein.
    »Nein, nein!« rief Muncius aufgeregt. »Auf diesen Steinen sollte man nicht sitzen. Das ist ein antiker Grabstein, auf dem du da sitzt.«
    Lucius sprang wieder auf.
    »Also«, fuhr Muncius fort, als sich sein Sohn neben ihm hingesetzt hatte, »euer Fund ist in Wirklichkeit ein altes Grab. Du weißt ja, man hat vor mehr als eintausendsiebenhundert Jahren aufgehört, Menschen zu beerdigen. Ich schätze das Alter dieser Steine auf etwa zweitausend Jahre, vielleicht etwas mehr oder weniger.«
    »Wie schade, dass die Leiche selbst nicht da ist«, seufzte Lucius.
    »Ja, sicher. Aber sie ist schon längst verschwunden. Vielleicht finden wir Überreste des Schädels und großer Knochen.«
    »Das nützt doch nichts ...«
    »Ja, ich verstehe dich schon, aber das, was ihr Biologen wollt, findet ihr nie. Zurück zum Thema. Das wichtigste für einen Archäologen in einem solchen Fall ist zu bestimmen, in welcher Sprache die Inschrift gemacht wurde. Der Rest ist eine Frage der Zeit und Geduld. In diesem Fall ist weder viel vom einen, noch von dem anderen notwendig. In den alten Zeiten, die uns interessieren, existierten viele unterschiedlichen Sprachen, und dieser Umstand erschwert sehr oft die Entschlüsselung. Aber weil diese Gegend hier das Territorium des ehemaligen Russlands ist, können wir davon ausgehen, dass die Inschrift in Russisch gemacht wurde - und das ist auch tatsächlich der Fall. Kennst du diese

Weitere Kostenlose Bücher