Die Rueckkehr der Phaetonen
Lebensweise und die gesellschaftlichen Beziehungen - all das müsste inzwischen sehr weit fortgeschritten sein und ich werde kaum alles bis zum Ende verstehen können. Um so weniger, weil ich kein Wissenschaftler, kein Arzt und kein Ingenieur bin. Ich bin Jurist und es sieht nicht danach aus, dass dieser ehemalige Beruf mir noch etwas nützen würde. Insofern haben Sie kein Glück gehabt. Ihre Zeitgenossen werden keinen Nutzen aus mir ziehen können. Ich werde wohl irgendein einfaches Handwerk erlernen müssen, das ich ausführen kann, damit ich nicht tatenlos dahinvegetieren muss. Aber um darüber zu sprechen, ist es jetzt noch zu früh. Sie haben mich gebeten, über Sie zu richten. Ich verstehe es so, dass Sie von mir hören wollen, ob ich Ihnen erlaubt hätte, mich wieder ins Leben zurück zu holen, wenn ich das gekonnt hätte. Für mich ist es aber schwer, diese Frage jetzt mit Bestimmtheit zu beantworten — schließlich habe ich mich noch nicht in Ihrer Welt umsehen können. Außer diesen Pavillon habe ich noch nichts gesehen. Aber selbst wenn ich es nachher bedauern würde, dass ich von den Toten auferstanden bin, würde ich Sie dennoch nicht tadeln, so wie Ihr Vater es behauptet. Ich weiß, dass die Menschen sich in dieser Zeit geändert haben und viele Dinge anders sehen, als wir es getan haben. Sie haben gemeint, Ihr Vater hätte mein Jahrhundert genau erforscht, aber dazu kann ich bereits jetzt sagen, dass er den Charakter unserer Epoche nicht richtig verstanden hat. Wir waren Menschen mit nüchterner Denkweise, die keineswegs zu Tragödien oder sonstigen seelischen oder psychologischen Raffinessen geneigt waren - für so etwas hatten wir schlicht und einfach keine Zeit. Sie besitzen eine ganz andere Psychologie als die Menschen aus meiner Zeit. Allein die Tatsache, dass sich der gesamte Rat der Wissenschaft mit meiner Frage beschäftigt hat, ist Beweis genug. Vielleicht verstehe ich wieder etwas falsch, ganz bestimmt sogar, aber nach dem Leben, das ich geführt habe, nach dem Leben, das für mich noch zu den jüngsten Ereignissen gehört, ist es für mich höchst sonderbar zu hören, dass sich die gesamte Menschheit mit der Frage beschäftigt hat, wie ich meine Rückkehr zum Leben aufnehmen würde. Vielleicht verstehe ich das, wenn ich mich mit diesen neuen Bedingungen, diesen neuen Beziehungen zwischen den Menschen auseinandersetze und sie nachvollziehen kann. Schließlich ist Ihre Welt eine direkte Folge unseren Kampfes und unserer Bemühungen, und ich würde mich freuen, diese Welt zu sehen und ihre Menschen im Namen ihrer Vorfahren zu begrüßen. Ich hoffe, dass ich mit Ihrer Hilfe und mit Hilfe Ihrer Freunde, die wie ich hoffe, auch meine Freunde sind, einen Platz in Ihrem Leben finden finden kann. Also lassen Sie Ihre Zweifel fallen. Mir ist eine sehr ungewöhnliche, merkwürdige Schicksalswendung zuteil geworden und ob ich dieses neue Schicksal herausfordern will oder nicht, kann für Sie keine Rolle mehr spielen. Sie haben mich nach der Entscheidung der gesamten Menschheit ins Leben zurück gerufen, also kann ich, ein Kommunist, denn überhaupt dagegen sein? Natürlich nicht. Ich bin stolz darauf, dass ich der Wissenschaft dienen konnte, und dieses Wissen genügt mir auch. Natürlich ist es schwer zu begreifen, dass alle, die ich kannte, alles, woran ich gewöhnt war, längst verschwunden ist. Die Schwere dieser Trennung habe ich eben durchlebt und komme nie wieder darauf zurück. Und nun fange ich ein neues Leben an.
In einer Sache hatte Ihr Vater übrigens Recht: Bevor ich in diese Welt gehen kann, muss ich einige Zeit bei ihm verbringen. Ich finde diesen Gedanken sehr gut. Bringen Sie mich zu ihm - ich würde gerne, wenn möglich, ein paar Bücher lesen, die die Geschichte der Menschheit in diesen zweitausend Jahren erzählen, und soweit es mir möglich ist, mich mit den Errungenschaften der Technik und der Wissenschaft bekannt machen, zumindest in ihren Grundzügen. Und natürlich muss ich die neue Sprache erlernen. Das alles braucht Zeit. Ich würde nicht unter die Menschen gehen wollen, bevor ich das alles getan habe. Dass Ihr Vater ein Geschichtswissenschaftler ist, ist ein sehr glücklicher Umstand für mich - und er selbst kann aus unseren Gesprächen auch viel lernen. Ich bin der Augenzeuge und der Teilnehmer vieler Ereignisse, von denen er nur in Büchern gelesen hat - wir werden über vieles reden können.«
»Ich freue mich, dass Sie die Dinge so einfach sehen«, sagte Lucius. »Ich
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