Die Rueckkehr der Phaetonen
messen«, erwiderte Mary. Aber wenn er halblaut singt, dann versuche ich, nach Kräften mitzuhalten.«
»Wenn Vater weg ist«, fragte Lucius, »wo willst du dann wohnen?«
»Spielt keine Rolle.«
»Die ganze Welt steht dir zu Verfügung.«
»Ich weiß. Und ich würde sie zuerst gerne sehen.«
»Du willst eine Weltreise machen?«
»Wenn es möglich ist.«
»Warum denn nicht? Es tut mir sehr Leid, dass ich dich dabei nicht begleiten kann. Im Moment habe ich eine ziemlich verantwortungsvolle Arbeit zu erledigen.«
»Und wozu sind wir dann hier?«, mischte sich Mary ein. »Wladilen hat jetzt nichts zu tun und ich auch nicht. Wenn Dmitrij nichts dagegen hat...«
Wolgin streckte die Arme nach den beiden aus. »Was Besseres hätte ich mir gar nicht wünschen können«, sagte er bewegt.
»Also, wann fliegen wir los?«, fragte Wladilen.
»Sobald wir uns von Muncius verabschiedet haben.«
»Das wird nicht so bald sein«, entgegnete Muncius. »Vor dem Abflug bin ich noch eine Zeitlang auf der Erde beschäftigt. Wartet nicht auf mich und fliegt gleich morgen los.«
»Aber dann werde ich Sie noch länger nicht sehen können.«
»Dich«, korrigierte Muncius. »Ich bin in einem halben Jahr wieder da. Und wenn du mich zu sehr vermissen solltest, komm einfach zu mir auf den Mars.«
»Na, der Mars wäre wirklich zuviel«, sagte Wolgin.
Für ihn hörte sich diese Einladung zu fantastisch an. Eine Reise im Weltraum schien etwas Magisches zu sein, das für einen einfachen Sterblichen unerreichbar war. Er konnte es nicht genauso einfach nehmen wie sein Gegenüber, für den ein Flug zum Nachbarplaneten etwas Alltägliches war. Wolgin wusste bereits, dass Muncius die Erde siebenundzwanzig Mal verlassen hatte, dass Wladilen trotz seiner Jugend bereits mehrmals kreuz und quer durch das gesamte Sonnensystem gereist war, dass sogar Mary es schon geschafft hatte, zwei Mal zum Mars und einmal zur Venus zu fliegen. Was den Mond anging, so war er den Menschen aus dem neununddreißigsten Jahrhundert genauso gut bekannt wie die Erde selbst und war nun so etwas wie ein Außenbezirk der Erde. Für Wolgin war es eine weitere Eigenschaft, die dieses noch unbekannte Leben auszeichnete. Die Erde war für die Menschen nur noch ihr Heim, nicht mehr und nicht weniger. Die Menschen gingen aus diesem Heim heraus und kehrten wieder dorthin zurück, ohne darin etwas Ungewöhnliches zu sehen. Und Dmitrij Wolgin blieb nach wie vor ein Mensch aus dem zwanzigsten Jahrhundert. Er war gestorben, bevor das kosmische Zeitalter angefangen hatte, er wusste nichts von den Satelliten, die für ihn nicht mehr in der fernen der Zukunft lagen, sondern hatte erst zweitausend Jahre später über sie gelesen
- und in seinen Augen verschmolzen diese ersten zaghaften Schritte ins Weltall mit der nachfolgenden Geschichte. Wenn er damals noch fünfzehn oder zwanzig Jahre gelebt hätte, wäre es viel einfacher für ihn gewesen, das zu erfassen und zu verstehen, was seiner Wahrnehmung jetzt solche Schwierigkeiten bereitete.
»Mars ist zu viel«, wiederholte er nochmals.
Niemand lächelte. Wolgins Gesprächspartner verstanden ihn womöglich besser, als er sich selbst verstehen konnte. Aber auch sie wussten nicht sofort, was sie diesem Menschen antworten sollten, dessen Ansichten sich in der unermesslichen Tiefe der zurückliegenden Zeit formiert hatten. Nur Marys weibliche Feinfühligkeit ließ sie das Richtige sagen. »Möchtest du vielleicht meine Mutter sehen?«, fragte sie. »Sie ist momentan auf dem Mars, und ich weiß, dass sie dich wirklich gerne kennen lernen würde ... wie alle anderen auch. Aber es wäre für mich angenehm, wenn sie die erste sein würde.«
»Ist das denn möglich?«, fragte Wolgin.
Der verlockende Gedanke, jemanden zu sehen, der sich mehrere Millionen Kilometer von der Erde entfernt befand, schien einfach nur märchenhaft.
»Auf der Marsbasis ist auch ein Teleoff installiert.«
»Wenn es so ist, dann würde ich mich über ein solches Treffen freuen.«
»Dann rufe ich jetzt die Station an, damit man uns mit dem Mars verbindet«, mit diesen Worten lief Mary zum Teleoff.
>Wird diese Frau auf dem Mars<, dachte Wolgin, >mich etwa genauso sehen und vor mir erscheinen, wie Lucius es vorher immer getan hat?<
Alles geschah tatsächlich genauso. Das Warten dauerte etwa eine halbe Stunde, dann sagte Mary zu Wolgin, er könne sich in den Sessel zu setzen. Im Zentrum der Scheibe leuchtete bereits ein roter Punkt. »Du hast Glück«, sagte Mary.
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