Die Rueckkehr der Phaetonen
Welches Wunder war es, das den Menschen erlaubt hatte, die Denkmäler der Antike unversehrt zu erhalten? An der Stelle der Altstadt gab es nun ein Meer aus Grün. Und die majestätischen Bauwerke der vergangenen Zeiten standen in diesem Meer wie Felsen. Je mehr sich der Aref der Newa näherte, umso besser erkannte Wolgin die Orte des alten Leningrads - und sie waren auch nicht mehr schwer zu finden. Dort, wo früher der Newski Prospekt war, zog sich nun eine lange und breite Allee durch den Park, die für ihn, der die Stadt so gut kannte, ein wunderbarer Anhaltspunkt war. Da war auch eine andere Allee, die sich in Richtung Newa zog, und an ihrem Ende stand das weiße Gebäude des Smolny. Wolgin zweifelte nicht mehr daran, dass er alles sehen würde, was er erst vor kurzem unter Schmerzen aus seinen Erinnerungen streichen wollte. Und auch die Skulptur von Falcone und Collo, die er seit seiner Kindheit geliebt hatte, musste an ihrem alten Platz stehen. Man konnte sie nicht in die neue Stadt verlegen. Es konnte keinen anderen Platz für den »Ehernen Reiter« geben als das Ufer der Newa!
Es war so, als sähe Wolgin die gesamte Geschichte der Verwandlung Leningrads, der Stadt seiner Kindheit, in den gigantischen Oktoberpark. Die Bilder vom Wohnungsbau an den Stadträndern erschienen sofort vor seinem inneren Blick. Die Stadt wuchs, wurde mit jedem Jahr und mit jedem neuen Jahrhundert immer größer. Ihr Zentrum verlagerte sich immer weiter nach Süden. Die sozialistische Stadt voller Licht und Grün erreichte zuerst Pulkowo, und dann auch Puschkin, bis sie diese Vororte in sich aufnahm. Die alten Quartiere der Wyborg-und Petrogradseite, der Wassiljewskij-Insel und des Stadtteils um den Newski Prospekt wurden zum Stadtrand, der sich immer weiter entfernte. Die Häuser verfielen und wurden abgerissen, und an ihren Stellen erschienen nach und nach Gärten und Grünanlagen. Aber die historischen und künstlerischen Bauwerke wurden von den Menschen ständig überwacht und ihr Verfall nicht zugelassen. So lief es weiter, bis irgendwann jedes von diesen Gebäuden in majestätischer Einsamkeit stehen geblieben war. So war der Oktoberpark entstanden — ein riesiges grandioses Denkmal der Antike, ein Freiluftmuseum der Baukunstgeschichte, der Skulpturen und der großen Ereignisse der Vergangenheit. Wolgin musste seine Gefährten nicht danach fragen. Er wusste, dass er sich nicht irrte, dass alles sich genau so zugetragen hatte wie er es sich vorstellte. Das war ein natürlicher Weg, dessen Anfang in seiner Zeit gelegt wurde.
Noch während er sich in der Luft über der Stadt befand, fühlte er bereits, dass das, was seine Augen auf dem Boden sehen würden, viel schöner, majestätischer und klarer wirken würde, als es früher gewesen war. Leningrad beeindruckte die Menschen schon immer mit der herben Schönheit seiner Architektur, es war die Stadt, in der man diese Schönheit am deutlichsten erleben konnte. Die besten Baumeister aller Zeiten hatten nicht umsonst ihre gesamte Genialität eingesetzt - aber ihre Schöpfungen verloren oft wegen der Nachbarschaft einfacher Gebäude an Ansehnlichkeit. Die unübertroffenen Ensemblemeisterwerke des Palastplatzes, Marsfeldes, der Kasaner Kathedrale, des Alexandratheaters und des Dekabristenplatzes verloren sich in der Masse der Wohnhäuser, die dicht um sie herum standen. Man konnte sie nicht mit einem einzelnen Blick erfassen, sie als ein Ganzes sehen und das gesamte Vorhaben ihrer Schöpfer erfühlen. Aber jetzt, vor dem grünen Hintergrund der Jahrhundertbäume, sollten diese Bauwerke in all ihrer vollendeten Schönheit und Größe vor Wolgin erscheinen - so, als wären sie von ihren Steinketten befreit worden. Er sah sie von oben und dachte, dass das alte Leningrad noch nie schöner gewesen war. Die Abwesenheit der gewohnten Straßen blieb unbemerkt - die wichtigsten von ihnen ließen sich leicht in den Linien breiter Alleen erraten, die den Park in allen Richtungen kreuzten. Etwas am neuen Äußeren der Stadt kam Wolgin sehr vertraut vor - so, als hätte er ein ähnliches Bild bereits in seinem früheren Leben gesehen. Aber wo?
Dann wusste er es. Der Katharinenpark in Puschkin. Das Park-Architekturensemble in Pawlowsk. Genauso wie jetzt in Leningrad selbst, versteckten sich dort die Paläste und Pavillons von Quarengi, Rastrelli, Rossi und Stasow im dichten Grün. Und wie bezaubernd hatten sie im Rahmen der Bäume ausgesehen!
Wolgin hatte den Wunsch, tief über dem Boden zu
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