Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Rueckkehr der Phaetonen

Titel: Die Rueckkehr der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
Vom Netzwerk:
ehrenvoll. Für ihn war es der gestrige Tag.
    Jetzt müsste Leningrad jeden Moment am Horizont erscheinen. Der Aref befand sich etwa dreihundert Kilometer davon entfernt. Wladilen, der die Maschine steuerte, verringerte die Geschwindigkeit immer weiter — der junge Wissenschaftler wusste sehr gut, was in Wolgin jetzt vorging. Er hatte bemerkt, dass Dmitrij die Ortschaften, über die sie flogen, fast überhaupt nicht beachtete. Als der Aref die Geschwindigkeit bis zum Anschlag erhöhte und in eine große Höhe stieg, so dass die Einzelheiten der Erdoberfläche nicht mehr zu sehen waren, hatte Dmitrij auch nichts dagegen gehabt: Seine Gedanken waren weit entfernt und strebten sich nur noch vorwärts. Mit all seinen Gefühlen war er bereits in Leningrad — und nur in Leningrad.
    Bereits bei mittlerer Geschwindigkeit des Arefs erschienen die Städte am Horizont, rasten sofort danach unter ihnen hindurch und verschwanden so schnell, dass es keine Möglichkeit gab, sie sich genauer anzuschauen. Wladilen wollte keineswegs, dass Leningrad auch unter ihnen erschien, bevor Dmitrij sein Näherkommen fühlen und erleben würde. Er wusste genau, dass die langsame Annäherung an die Heimatstadt genau das war, was sein Freund jetzt brauchte, und zwang den Aref, immer langsamer zu fliegen. Wolgin hatte dieses Manöver bemerkt und war für Wladilens Einfühlsamkeit und Aufmerksamkeit dankbar, war jetzt aber nicht in der Lage, es irgendwie in Worte zu fassen. Er war in Paris gestorben, im weit entfernten Frankreich, und in seiner Todesstunde hatte er nichts anderes gewollt als hierher zurück zu kommen. Und jetzt war er hier, lebendig und gesund und mit wieder aufgeflammter Sehnsucht nach seiner Heimatstadt. Wie würde sie jetzt wohl sein?
    Auf der Erde hatte es einst eine »ewige Stadt« gegeben. Die grandiosen Bauten dieser Stadt, die von der unerbittlichen Zeit zur Hälfte zerstört waren, hatte Wolgin mit eigenen Augen gesehen. Das Amphitheater des Kolosseums, das im Jahr zweiundachtzig der christlichen Ära gebaut worden war, war zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts noch zur Hälfte erhalten geblieben. Aber es hatte kein einziges Gebäude gegeben, das nach zwei Jahrtausenden noch vollständig erhalten war. >Wenn es so ist, warum zieht es mich dann so stark dorthin, zu dem Ort, wo früher Leningrad war?<, dachte Wolgin voller Trauer. >Er ist doch nicht mehr da. Mein Leningrad, wie ich es kannte und liebte, existiert nicht mehr. Dort ist alles anders, alles ist neu und unbekannt. Aber die Newa ... die kann doch nicht verschwunden sein! Also sehe ich wenigstens sie.<
    »Wie ist das Wetter in Leningrad?«, fragte Mary.
    »Eigentlich müsste es stark bewölkt sein«, sagte Wladilen. »Aber Muncius hat mit der Wetterstation in Leningrad gesprochen und ihnen gesagt, dass Dmitrij kommen würde. Jetzt ist der Himmel über der Stadt so wolkenlos wie hier auch.«
    »Wundervoll!«
    Wolgin hatte dieses Gespräch gehört, aber es war an seinem Bewusstsein vorbeigegangen. Er konnte die Augen nicht vom Horizont abwenden. Plötzlich blitzte in weiter Ferne fast schon schmerzlich vertraut ein goldener Punkt
    - genau so, wie er auch vor zweitausend Jahren blitzte, wenn das Flugzeug, mit dem man reiste, die Stadt in großer Höhe anflog - es war der erste Gruß Leningrads, ein Abglanz der Sonnenstrahlen auf der goldenen Kuppel der Isaakskathedrale. Welches Gebäude war es denn jetzt, das den ersten Gruß an den Aref sandte? Was war es Unbekanntes, das diesen alten Freund aller Leningrader mit seinem Glanz ersetzt hatte?
    Wolgin fragte nichts. Der Aref sank noch tiefer und flog nun ganz langsam, ja fast widerwillig. Wolgin konnte den Boden sehr gut sehen - und langsam begann er auch, die Landschaft zu erkennen. Sie waren zweifellos in der Nähe von Puschkin. Aber wo war dieser malerische Vorort von Leningrad denn geblieben?
    Unter ihnen erstreckte sich das Panorama einer gigantischen Stadt. Moderne Gebäude von seltsamer Architektur, die Wolgin aus Büchern und Filmen bekannt waren und oft ausschließlich aus Glas gebaut zu sein schienen, endlose gerade Straßen, gewaltige Bögen der Brücken, die ganze Häuserblocks überspannten, eine Fülle von Wasser und Grün, silberfarbene Spiralen der Stadtbahnen, die in der Luft zu schweben schienen, eine Unmenge von Arefs aller Größen und Farben - all das deutete darauf, dass es nicht eine gewöhnliche Ortschaft war, die unter ihnen vorbei glitt, sondern eine der größten Weltstädte. Die Stadt, wie

Weitere Kostenlose Bücher