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Die Rueckkehr der Phaetonen

Titel: Die Rueckkehr der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
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nach oben zu steigen. Der Gürtel sollte sich doch von der Erde abstoßen, und nicht von ihr angezogen werden - oder sah er es falsch? »Warum fliegt er denn nicht weg«, fragte er, »wenn er nicht umgeschnallt ist?«
    »Weil sein Energiekreis nicht geschlossen ist«, antwortete Lucius. Er nahm den Gürtel aus Wolgins Händen und schnallte ihn zu. Der Gürtel schoss so-fort nach oben, aber Lucius ließ ihn nicht los. Es war klar, dass dieses Stück Stoff sofort an der Decke kleben würde, wenn es sich selbst überlassen wäre.
    »Mach ihn niemals zu, wenn du ihn abgenommen hast«, sagte Lucius. Er machte den Gürtel wieder auf und gab ihn Wolgin zurück.
    »Ist es denn nicht gefährlich, ihn umzuschnallen?«
    Io und Lucius lachten. »Du wirst dich nur ungewöhnlich leicht fühlen«, sagte lo, »und du gewöhnst dich sehr schnell daran. Und dann wirst du auch nicht so schnell müde werden.«
    Wolgin überwand die unwillkürliche Angst und schnallte den Gürtel um. Kaum hatte er das getan, wurde er sofort vom Gefühl einer verblüffenden Leichtigkeit ergriffen. Der Gürtel hob ihn spürbar über der Erde, aber nicht so, dass seine Füße vom Boden abhoben. Seine Arme schienen ihr Gewicht komplett verloren zu haben. In diesem Moment verstand er den Grund für die Leichtigkeit, mit der sich alle anderen bewegten und die ihn immer erstaunt hatte. Bisher konnte er einfach nicht verstehen, wie die Menschen von derartiger Größe und folglich vom derartigen Gewicht sich so leicht bewegen konnten, als würde die Erde sie überhaupt nicht anziehen. »Es kommt mir vor, als könnte ich jetzt bis an die Decke springen«, sagte er.
    »Nein, kannst du nicht«, erwiderte Io ernst. »Der Gürtel verringert das Gewicht deines Oberkörpers um die Hälfte. Einige Menschen tragen Gürtel mit Wirkungsgrad eins-drei, eins-vier und sogar eins-fünf. Aber dir reicht für den Anfang auch ein Zweier.«
    »Und wie wirkt sich das Tragen eines Gürtels auf die inneren Organe aus, auf das Herz zum Beispiel?«
    »Nur positiv. Das Herz hat es viel leichter. Ohne diese Gürtel wäre es für die Wissenschaft viel schwieriger gewesen, den Menschen ein zweihundertjähriges Leben zu ermöglichen.«
    Sie gingen zurück ins Esszimmer. Wolgin glaubte, dass er bei jedem Schritt hüpfte, und fragte Wladilen, ob es tatsächlich so war.
    »Kein bisschen«, erwiderte dieser. »Du läufst so wie alle anderen auch.«

2
    Der Aref näherte sich Leningrad. Wolgin sah voller Aufregung durch die transparente Wand der Maschine auf den Horizont, der von einem dunstigen Schleier überzogen war. In seinem vorherigen Leben geschah es oft, dass er sich seiner Heimatstadt mit einem Zug oder Flugzeug näherte und dabei immer aufgeregt war. Das gleiche Gefühl hatte auch jetzt, aber es war sehr viel stärker. Für Wolgin schien diese majestätische Stadt sich immer von allen anderen Städten auf dieser Welt zu unterscheiden.
    Die Stadt Lenins! Die Wiege der Oktoberrevolution!
    Wie nah und vertraut diese Worte doch für Wolgin waren ... aber ob die Menschen von heute die Bedeutung von Leningrad auch so verstanden? Wie klang dieser stolze Name in ihren Herzen? Vielleicht unterschied sich die Stadt an der Newa für sie überhaupt nicht von den anderen? Vielleicht waren die Erinnerungen, die für Wolgin noch so frisch waren, von den zwei Jahrtausenden komplett verwischt worden?
    Nein! Das konnte nicht sein!
    Wolgin hörte, wie Mary zu Wladilen sprach. »Ich war lange nicht mehr hier. Aber wenn man nach Leningrad kommt, hat man irgendwie ein besonderes Gefühl, nicht?«
    »Ja«, sagte Wladilen. »Und das ist auch vollkommen verständlich. Es war doch dieser Ort, an dem das Fundament für die Geschichte der Menschheit gelegt wurde.«
    »Du meinst wohl eher die Geschichte der letzten zwei Jahrtausende.«
    »Ach, was! Alles, was vor der Großen Revolution war, scheint mir eine absolute Finsternis zu sein. Hier hat es den ersten Lichtstrahl gegeben.«
    »Und wie hell dieses Licht jetzt brennt«, fügte Wolgin hinzu.
    Jetzt wusste er, dass die Menschen nichts vergessen hatten. Die Menschheit bewahrte die heiligen Andenken an die ehrenvolle Vergangenheit, und die Dankbarkeit gegenüber denjenigen, die die wundervolle Welt, wie sie heute war, gebaut und geschaffen hatten, verblasste nie. Seine beiden Gefährten hatten dieselben Gefühle wie er, die sich nur durch den unvermeidlichen Zeitaspekt voneinander unterschieden. Für sie war es die tausendjährige Geschichte, unvergesslich und

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