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Die Rueckkehr der Phaetonen

Titel: Die Rueckkehr der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
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und Südecken stand nun alleine da. Direkt dahinter müsste sich das Panorama des Aleksandrowski-Ensembles eröffnen - Wolgin sah noch in der Luft seine typischen Umrisse und den schmalen Streifen der Rossistraße. Der Aref flog weiter. Die Menschen, die im Oktoberpark spazierten, waren sicher erstaunt, dass Wolgin sie überhaupt nicht beachtete und ihre Grüße nicht einmal mit einer Handbewegung erwiderte. Offensichtlich konnten sie den Grund für sein Verhalten überhaupt nicht verstehen. Mary sagte es Wladilen - aber dieser zuckte nur schweigend die Schultern.
    Der Aref flog, Wolgins Wunsch gehorchend, einmal um das Alexandratheater, dann an den gelben Zwillingsgebäuden in der Rossistraße vorbei und stoppte wieder — diesmal direkt am Lomonossow-Denkmal. Der Platz drum herum sah genau so aus wie im zwanzigsten Jahrhundert. Nur die Brücke über die Fontanka war anders und am anderen Ufer war kein einziges Haus mehr zu sehen.
    Dann kehrten sie wieder zum »Newski« zurück. Wolgin war erstaunt, wie schnell er sich an Leningrads neues Aussehen gewöhnt hatte - es war so, als hätte es schon immer so ausgesehen. Der grüne Hintergrund, von dem sich die bekannten Gebäude so scharf abhoben, erschien ihm nicht mehr seltsam und ungewohnt, denn vor diesem Hintergrund sahen die historischen Gebäude wirklich schön aus. Da war nun die Kasaner Kathedrale, die nach wie vor ein Museum der Religionsgeschichte war, und die Skulpturen von Orlowski standen immer noch an den Enden der Kolonnade, die von Woronichin erschaffen wurde. Sogar die Tomond-Fontäne sprudelte genauso wie damals. Alles andere vergessen, betrachtete Wolgin das Bild, das ihm seit seiner Kindheit bekannt war. Der Aref schwebte unbeweglich einen Meter über dem Boden.
    Als die Menschen in der Allee sahen, mit welcher Aufmerksamkeit Wolgin das Museumsgebäude betrachtete, gingen sie auf die andere Seite, um ihn dabei nicht zu stören. Zwischen dem kirschfarbenen Aref und der Kathedrale bildete sich langsam eine Leere. Die anderen Maschinen stoppten entweder hinter der von Wolgin oder über ihr. Um sie herum versammelten sich Hunderte von Menschen, genau wie es an der Anitschkow-Brücke der Fall war. Aber diesmal hatte Wolgin die Menschenmenge bemerkt. »Ist es immer so«, fragte er, »oder geschieht das nur meinetwegen?«
    »Ich denke, deinetwegen«, sagte Wladilen vorsichtig, obwohl er längst davon überzeugt war.
    »Na sicher deinetwegen«, erwiderte Mary. »Alle wissen doch, dass du da bist und die Menschen nicht mehr meidest.«
    Wolgin sah sich um. Hunderte von Augen sahen ihn an, und Hunderte von Lächeln begrüßten ihn. Es war sofort klar, dass alle diese Menschen ihn lieb gewonnen hatten und sich offenherzig freuten, ihn zu sehen. Er hob die verschränkten Arme über dem Kopf - eine alte Begrüßungsgeste aus seiner Zeit. Die Menschenmenge erwiderte die Geste, und das begrüßende Grollen der Stimmen drang durch die Seitenwand des Arefs.
    »Sagst du ihnen vielleicht ein paar Worte?«, schlug Wladilen vor.
    »Lieber nicht«, sagte Wolgin. »Ich konnte noch nie gut sprechen und mag es auch nicht, wenn ich ehrlich bin.«
    »Also, fliegen wir weiter?«, fragte Mary. Sie ließ es sich nicht anmerken, was sie wegen seiner Absage dachte — so nahmen sie und Wladilen alle seine Entscheidungen hin, ohne jegliche Andeutung von Kritik oder Unzufriedenheit.
    Mittlerweile befanden sie sich schon seit mehreren Stunden in der Luft. Wolgin sah, dass Mary bereits müde war. Er wollte noch lange hier herumfliegen, wo einmal seine Heimatstadt gewesen war, aber langsam war es auch an der Zeit, ans Ausruhen zu denken. Im jetzigen Leningrad gab es niemanden, den er kannte oder von dem er jemals gehört hatte. Er wusste, dass er überall ein willkommener Gast wäre, dass man ihn in jedem Haus wie einen nahen Verwandten empfangen würde, aber er wollte auf keinen Fall jemanden stören.
    Es war jetzt notwendig für ihn, ein wenig allein zu sein, sogar ohne seine jetzigen Gefährten. >Und wo können wir dann hin?<, dachte er. >Haben sie denn noch so etwas wie Gasthäuser?«
    Der Aref flog schnell über den Rest der Allee. Wolgin beachtete bewusst nicht den Palastplatz, weil er wusste, dass er sich dann wieder für lange Zeit dort aufhalten würde, und steuerte die Maschine geradewegs zum Dekabristenplatz. Er hatte immer noch nicht gefragt, ob der Eherne Reiter nach wie vor dort stand, aber mittlerweile war er sich dessen vollkommen sicher und wollte die heutige

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