Die Rueckkehr der Templer - Roman
Königreich übernehmen? Ich dachte, Dietrich von Flandern und Guido von Beirut seien im Gespräch für eine eventuelle Herrschaft in Damaskus.«
»Denk doch mal nach, Azim! Konrad führt ein mächtiges Heer.
Die Deutschen sind bekannt für ihre Unerbittlichkeit. Melisende ist eine Frau, und gegen Konrad wird sie nicht viel ausrichten können. Balduin hingegen ist noch viel zu jung und zu unerfahren, als dass er sich gegen einen solch erfahrenen Machthaber behaupten könnte. Dass Balduin sich von König Ludwig und dem deutschen Kaiser blenden lässt und die Gefahr nicht sieht, im Falle eines Sieges über Damaskus nicht deren Anerkennung zu gewinnen, sondern vielmehr seinen Thron zu verlieren, ist das beste Beispiel dafür. Lā maqām – die Theorie des mangelnden Platzes – ist in dieser Gegend in aller Munde. Dieses Land verträgt keinesfalls noch mehr fränkische Herrscher, die sich auf Augenhöhe gegenüberstehen. Konrad I. wird seinen Anspruch auf Jerusalem erheben, wenn er erst Herrscher von Damaskus ist – und seine eigenen Leute in die Baronien einsetzen. Das kann niemand von den bereits vorhandenen fränkischen Führern wollen.«
|250| »Wer sagt das?« Azim blickte ihn misstrauisch an. »Montbard?«
Khaled nickte schwach. »Frag mich nicht warum, aber ich weiß, dass er recht hat. Wir werden zu den Verlierern gehören, ganz gleich, wie es kommt.« Natürlich konnte er Azim nichts von Lyns geheimnisvoller Maschine erzählen und dass die Zukunft womöglich bereits geschrieben war und sie des Todes waren, falls sie an der Schlacht um Damaskus teilnehmen würden.
»Und wie willst du das unseren Leuten beibringen?« Azims Blick zeigte einen Anflug von Verzweiflung. »Sie fiebern ihrer Genugtuung entgegen. Fast alle haben Familienangehörige in den Wirren der Verfolgung verloren. Sie sind mittellos und auf das Wohlwollen einer fränkischen Königin angewiesen. Allein ihr Stolz ist ihnen geblieben. Soll ich ihnen sagen, dass all ihre Hoffnungen auf Vergeltung, Reichtum und Macht nun wegen der Visionen eines alternden Templers hinfällig sind?«
»Sag ihnen vorerst gar nichts«, erwiderte Khaled mit bitterer Miene. »Die Entscheidung wird ohnehin von der Meinung des Prinzen abhängen und ob es seiner Mutter gelingt, ihn entsprechend zu beeinflussen.«
»Auf welcher Seite stehst du eigentlich?« Azim sah ihn ungläubig an. »Auf der Seite der Königin, auf der Seite des Prinzen – oder etwa der Templer?«
»Auf der Seite unseres Glaubens und auf der Seite der Vernunft.«
Khaled fühlte sich mit einem Mal, als wäre er um Jahre gealtert.
»Bei Allah«, bemerkte Azim resigniert. Bevor er fortfuhr, kniff er die Lippen zusammen. »So soll es sein.«
Als er hinausging, drehte er sich noch einmal zu Khaled um. »Du solltest es wirklich nicht mehr mit dieser alten Hexe treiben. Sie ist weit schlimmer als ein Opiumrausch. Wenn du nicht Acht gibst, saugt sie dir noch den letzten Funken Verstand aus den Knochen.«
Drei Tage später war Khaled war sicher, dass er seit drei Tagen beobachtet wurde, und er wusste sogar von wem. Als Nizâri war er auf das Ausspähen von Verfolgern geschult. Ein einziges Mal hatte er in letzter Zeit seine Achtsamkeit vernachlässigt – als er mit Lyn und Rona durch das marokkanische Viertel geschlichen war, mit dem Ergebnis, dass sie dafür beinahe mit dem Leben bezahlt hatten.
|251| Auf dem Weg zu Lyn überlegte er, wie er seine Verfolger loswerden konnte. Der Kerl im grauen Habit eines Bruders vom Heiligen Kreuz, der ihm am helllichten Nachmittag in den engen Gassen Jerusalems durch das Gewimmel der Pilger folgte, machte seine Sache noch nicht einmal gut. Er blieb stehen, wenn Khaled stehen blieb, und gab sich unnötig geschäftig, wenn Khaled sich nach ihm umschaute. Khaled machte sich einen Spaß aus der Sache, indem er abwechselnd davoneilte und dann wieder langsamer wurde, was seinen Verfolger in arge Schwierigkeiten brachte. Nachdem er einen menschenleeren Hohlweg unterhalb der Basilika des Heiligen Grabes passiert hatte, versteckte Khaled sich hinter einem der vielen Baukräne, die man wegen der Neugestaltung des Gotteshauses aufgestellt hatte, und duckte sich hinter einer gewaltigen Marmorsäule. Die fränkischen Maurer, die noch kurz zuvor daran gearbeitet hatten, beäugten ihn misstrauisch, da ihm seine muslimische Herkunft anzusehen war, doch dann besannen sie sich darauf, die Säule mit armdicken Stricken zu versehen, damit sie mittels eines Flaschenzuges
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