Die Rueckkehr der Templer - Roman
seinem misstrauisch dreinblickenden Bruder eine der silbern schimmernden Perlen zwischen Daumen und Zeigefinger entgegen. »Die neueste Medizin aus dem Maristan von Chorasan«, log er |279| ungeniert. »Sie kann keine Toten zum Leben erwecken, aber sie kann jede Verwundung im Handumdrehen heilen.«
»Das glaubst du doch selber nicht«, keuchte Mahmud voller Zweifel.
»Willst du leben oder sterben?« Khaled bedachte ihn mit einem ungeduldigen Blick.
»Ich will … leben.«
Mahmud biss die Zähne aufeinander und sackte, nachdem Khaled den Pfeil aus seinem Körper gezogen hatte, halb ohnmächtig in die Knie. Doch auch ihm konnte geholfen werden. Der Schmerz verschwand so schnell wie die hässliche Wunde, und schon bald stand er unversehrt da, frisch wie ein neugeborener Knabe, unfähig zu begreifen, was soeben mit ihm geschehen war.
Khaled drückte seinen völlig verdutzten Kameraden die Schwerter in die Hand. Azim zitterte immer noch leicht, als er Khaled ermahnte, dass das Paradies trotz dieses Wunders noch nicht erreicht sei und draußen Dutzende von Damaszenern darauf warteten, sie in Stücke zu zerhacken. Khaled fasste den Beschluss, den beiden Kameraden zwei seiner Kapseln in die Hand zu drücken. »Wenn es euch noch einmal erwischt und ich nicht dabei bin, zerbeißt eine Perle und lasst den Inhalt unter der Zunge zergehen«, mahnte er sie.
»Diese Perlen stammen nicht aus dem Maristan«, entgegnete Azim mit einer verschwörerischen Miene. »Gib‘s zu, du hast die Pillen von den beiden Frauen bekommen, die wir in der Wüste aufgefunden haben, nicht wahr?«
»Ich habe auch von ihnen gehört«, murmelte Mahmud, der beim Auffinden von Rona und Lyn nicht dabei gewesen war. »Man erzählt sich merkwürdige Dinge über sie. Angeblich haben sie Zauberkräfte.«
Khaled kniff die Lider zusammen. »Ganz gleich, von wem ich die Pillen bekommen habe, Hauptsache, sie zeigen eine Wirkung.«
»Beim Propheten«, stöhnte Mahmut, »solange sie nicht dem Hort des Satan entstammen …«
Die Tür flog auf, und plötzlich sahen sie sich einer Übermacht von Kriegern gegenüber, die die Kleidung muslimischer Fürsten trugen.
Khaled schaffte es gerade noch, zu Schwert und Schild zu greifen, bevor er sich im Schein mehrerer Fackeln auf einen aussichtslosen Kampf einließ.
Wie ein Berserker schlug er um sich und versuchte sich zusammen |280| mit Azim und Mahmut der eindringenden Übermacht zu erwehren.
Sein Körper funktionierte wie von selbst, während er spürte, wie seine Waffe in festes Fleisch eindrang, seine geschickte Drehung einen Kopf vom Rumpf trennte. Es war wie ein blutrünstiger Tanz, den er tausendmal einstudiert hatte und der doch immer einem anderen Rhythmus folgte.
Der Schlag, der ihn stoppte, kam so unvermittelt wie die Pfeile zuvor. Khaled spürte, wie ihm warmes Blut die Hüfte hinablief, zu seinem Bein und den Stiefel füllte. Er verlor schlagartig die Kraft in den Armen und stürzte zu Boden. Dabei büßte er nicht nur seinen Schild, sondern auch seinen Säbel ein.
Die feindlichen Krieger rauschten wie eine Welle über ihn hinweg, und sein einziger Gedanke galt dem Brustbeutel, den er um den Hals trug. Mit letzter Kraft schaffte er es, den Beutel zu öffnen, dabei fielen die restlichen Perlen zu Boden. Khaled tastete in dem Tumult nach den Kapseln. Er versuchte sich unter der Masse an Menschen, die auf ihn einstachen, zu drehen, was ihm aber nicht gelang, und so war es ein weiteres Wunder, dass er mit seiner durchstochenen Hand eine Perle erwischte, die auf seiner blutüberströmten Brust kleben geblieben war. Mit tauben Fingern steckte er sie in den Mund. Plötzlich glaubte er, Lyn vor sich zu sehen, mit einem Lächeln auf den Lippen. Dabei hatte er die Worte, um ins Paradies zu gelangen, noch gar nicht gesagt. »Es gibt keinen Gott außer Allah«, flüsterte er, bevor es schwarz um ihn wurde.
Als Khaled wieder zu sich kam, war er zwar unverletzt, aber gefesselt. Nichts war so, wie er sich das Paradies vorgestellt hatte. Eher schien er in den Vorhof der Hölle geraten zu sein.
Der dunkelhäutige Anführer der Angreifer, dessen stattliche Gestalt in feinstes Ziegenleder gehüllt war, sah ihn hasserfüllt an. Abu Aziz Maulā, wie er von seinen Leuten genannt wurde, war eindeutig ein Fatimide. In seinem ägyptischen Akzent rollte er jeden Buchstaben auf der Zunge, als könnte man diese Sprache förmlich schmecken.
Irgendwann einmal hatten die Ismailiten und die Fatimiden gemeinsame Wurzeln
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