Die Rueckkehr der Templer - Roman
er seine Rechte nach Nordosten.
»Dort liegt Jerusalem«, sagte Gero und schwang sich auf den Rücken seines schnaubenden Percherons, der in ihm die wehmütige Erinnerung an seinen Atlas weckte, jenen klugen Hengst, den er damals bei seinen Eltern hatte zurücklassen müssen. Aber auch dieses grauweiß gescheckte Tier gehorchte erstaunlich gut seinen Anweisungen. Ein einziger Schenkeldruck brachte es in die richtige Richtung. Die Zügel von Tapeltons Pferd, das nun unbesetzt blieb, band er am Geschirr seines eigenen Pferdes fest.
Struan half dem Professor auf einen der beiden Friesen. »Halte dich am Vorderzwiesel fest, Alter«, riet er dem Neunzigjährigen in seiner vertraulichen Art. »Und lass ja die Zügel nicht fahren, ganz gleich, was uns über den Weg läuft und ob der Gaul daraufhin unruhig wird. Verstanden?«
Hertzberg nickte gehorsam. In den letzten Tagen hatte ihm Gero ein paar Reitlektionen erteilt, aber ob das etwas genutzt hatte, würde sich erst noch zeigen. Danach setzte der hünenhafte Schotte seinen Hengst in Gang und führte ihn zum Ende der Truppe, wo er wie üblich die Nachhut übernehmen würde.
|325| Den anderen Friesen nahm Arnaud für sich in Anspruch. Mühelos schwang er sich in den aufwändig verarbeiteten, breiten Sattel, mit einem aufragenden Vorderzwiesel und einer Hinterlehne, auf dem mühelos zwei Reiter sitzen konnten.
Tanner war ein guter Reiter. Wie selbstverständlich hatte er sich auf einen der Araber geschwungen.
Johan und Stephano hatten die Zügel ihrer Hengste gestrafft und gaben ihnen mit einem Schnalzen zu verstehen, dass es endlich losgehen konnte.
Nach ungefähr zwei mittelalterlichen Meilen, was in etwa vierundzwanzig Kilometern entsprach, erreichten sie ein verschlafenes Dorf. Aus der Dämmerung erhoben sich einzelne, fensterlose Gebäude mit flachen Dächern, die meisten davon mit nur einem Tor versehen, das zu einem ummauerten Innenhof führte. Menschen waren so früh am Morgen noch nicht zu sehen, aber Gero wollte, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergab, wissen, wo sie genau gelandet waren, und vor allen Dingen in welchem Jahr sie sich befanden. Tom hatte von Beginn an die Möglichkeit eingeräumt, dass der Transfer schiefgehen konnte und sie nicht die angegebene Zeitebene erreichten – immerhin war es den beiden Frauen ihrem Tagebuch nach, das Hagen entschlüsselt hatte, ganz ähnlich ergangen.
Ein Hund bellte warnend, als der Tross stoppte und Gero als Einziger vom Pferd absprang. In alter Gewohnheit zückte er sein Schwert, als er eine Gestalt über den Dorfplatz huschen sah. Wenn ihn nicht alles täuschte und er den alten Karten vertrauen konnte, befanden sie sich unweit von Bethanien, jenem Ort auf dem Weg zum Jordan, in dem Königin Melisende einen Nonnenkonvent mit dem Namen Sankt Lazarus gegründet hatte, in dem man Leprakranke behandelte und der auch ehemalige, von der Krankheit betroffene Ordensritter beherbergte.
»Struan«, zischte Gero und befahl seinen Kameraden mit einem Wink an seine Seite. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich ihn, und er konnte sich keinen besseren Schutzengel vorstellen als den Schotten, der ihm schon einmal das Leben gerettet hatte.
Geduckt schlichen sie zu einer größeren Hütte, aus der das Bellen drang.
Wieder hörten sie ein Trappeln und gewisperte arabische Worte.
|326| »Arnaud!« Mit einem Fingerzeig beorderte Gero den Provenzalen, ihnen zu folgen, weil er die Sprache der Sarazenen beherrschte.
Im Laufschritt eilte Arnaud an seine Seite, ebenfalls das Schwert in Händen.
»Womit kann ich dienen?«, murmelte er und sah sich angespannt um.
»Irgendwas geht hier vor«, raunte Gero. »Ich meine, ich hätte vor den Häusern arabische Stimmen gehört, bin mir aber nicht sicher.«
»Vielleicht sollten wir einfach an eine der Türen klopfen?«, riet ihm Arnaud.
Verhalten hämmerte Gero auf das Holz. Seine Kettenhandschuhe hatte er bei seinem Pferd zurückgelassen.
Niemand im Innern der Hütte reagierte. Und doch glaubte Gero, wieder ein Flüstern zu hören.
Nun hatte Struan die Stimmen auch vernommen. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, und er gab Gero ein Zeichen, dass er sich einmal hinter der Hütte umschauen wollte.
»Pass auf dich auf, Stru«, rief Arnaud ihm mit gedämpfter Stimme hinterher.
Der Schotte hob seine Hand zu einer beschwichtigenden Geste und war schon hinter der nächsten Mauer verschwunden.
Im Grunde fühlte Struan sich großartig. Das erste Mal seit Monaten, dass er sich
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