Die Rueckkehr der Templer - Roman
nahm er das Papier, bemüht darum, den Text nicht mit Blut zu beschmutzen. Darauf stand eine Botschaft.
|388| Paul, schoss es ihm spontan in den Sinn.
Warum hatte man ihn nicht zurückgeholt, sondern nur eine Nachricht übersandt? Als er sich hinunterbückte und die Glut des Feuers mit einem trockenen Ast befeuerte, um die Botschaft besser entziffern zu können, ließ ihn ein Lufthauch hochfahren. Ein plötzlicher Aufprall hob ihn regelrecht von den Füßen. Der Löwe hatte ihn aus dem Dunkeln angesprungen. Arnaud landete auf dem Bauch und versuchte sogleich, seinen Dolch zu ziehen und sich zu drehen, was dazu führte, dass das Raubtier sich nicht in sein Genick verbiss, sondern in seiner linken Schulter. Trotz des Kettenhemdes rammten sich die spitzen Zähne bis auf die Knochen in sein Fleisch. Es gelang ihm noch, seinen Hirschfänger zu ziehen und sich mitsamt der gut eineinhalb Zentner schweren Katze auf die Seite zu rollen. Der Löwe rammte derweil seine Krallen in Arnauds rechten Arm und sein linkes Bein. Arnaud spürte kaum einen Schmerz, nur ein Gefühl warmer Nässe von dem Blut, das sich in seiner Hose ausbreitete. In blinder Panik, den Kampf zu verlieren, stach er zu. Wieder und wieder. Der Löwe schlug fauchend nach ihm. Verzweifelt wehrte Arnaud den Kopf des Tieres mit den bloßen Händen ab. Wie eine Sturmkugel rollte er mit der Katze herum, und für einen Moment verlor er die Orientierung für oben und unten. Arnaud stach weiter zu, ohne darauf zu achten, wo er die Bestie traf. Hauptsache, sie ließ von ihm ab. Ihm selbst erschien es wie eine Ewigkeit, bis es endlich still um ihn herum wurde und kein Muskel des Tieres mehr zuckte.
Mühsam richtete er sich auf. Die Umgebung verschwamm vor seinen Augen, und er schwankte, dabei ahnte er, dass er eine Menge Blut verloren haben musste.
Samiras Jilbab hatte er gleich zu Beginn des Kampfes eingebüßt. Doch auch die Templerchlamys hing in Fetzen an seinem geschundenen Körper, über und über mit Blut besudelt. Er spürte, wie seine Knie nachgaben. Die Kamelstute blökte kläglich, und von irgendwoher sagte ihm eine Stimme, dass noch mehr wilde Tiere kommen würden, wenn sie all das Blut witterten. Nicht weit von ihm lag die Botschaft, blutig, schmutzig und nur mit Mühe zu entziffern. Doch er musste ihrer habhaft werden, um zu erfahren, warum man sie so jämmerlich im Stich gelassen hatte. Nun war er der Einzige, der seinen Kameraden zur Flucht verhelfen konnte.
|389| Als er sich, mühsam auf seine Waffe gestützt, aufrichtete, übermannte ihn das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Vor Schwäche halb ohnmächtig überwand er die wenigen Schritte, bis hin zu der Stelle, wo die Botschaft lag, hob sie auf und steckte sie an seinen Gürtel. Dann humpelte er zur Palme und band mit blutnassen Fingern die Zügel des Kamels vom Baum. Heiser und kaum hörbar gab er dem Tier den gleichen Befehl, den ihm sein Besitzer in der Karawanserei gegeben hatte. Trotz der Furcht, die der Stute immer noch in den Augen stand, und der Schmerzen, die ihr die klaffenden Wunden am Hinterteil bereiteten, gehorchte sie und ging auf die Knie.
Mit letzter Kraft kroch Arnaud auf ihren Rücken und trieb sie, nachdem sie sich mit ihm erhoben hatte, in die gleiche Richtung, aus der sie gekommen waren. Ihr Instinkt schien zu wissen, dass es endlich nach Hause ging. Völlig erschlafft hing er im Sattel, und seine Hände krallten sich wie von selbst in das Fell des Tieres, als es sich in Bewegung setzte. Der wiegende Schritt des Kamels tat sein Übriges, und Arnaud bemerkte nicht, wie er das Bewusstsein verlor.
»Zieh ihn aus!«, rief eine hektische Frauenstimme. Wie durch einen Nebel hindurch vernahm Arnaud die aufgeregten Anweisungen. »Wir müssen ihn mit kaltem Wasser waschen.« Jemand zerrte an seiner Kleidung, Stoff zerriss, und seine Muskeln krampften sich zusammen, als kaltes Wasser auf seinen nackten, von tiefen Wunden übersäten Körper traf. Unfähig, die Augen zu öffnen, spürte er, wie man ihn trocken rieb und verschiedene Stellen seines Körpers mit einem beißenden Alaunpulver bestreute, dann pressten zahlreiche Hände Stoff auf die schmerzenden Stellen und versahen ihn mit einem Verband.
»Bin gespannt, ob die Opiumdosis ausreichend ist«, meinte eine weibliche Stimme direkt über ihm. »Hier, Schwester Lyanna, halt das für mich. Einige Wunden sind zu groß, ich muss sie nähen, nachdem du sie mit Alkohol ausgewaschen hast. Aber erst musst du ihm noch etwas von
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