Die Rueckkehr der Templer - Roman
seinen Namen.
Der Junge war mit Anselm zurückgeblieben und suchte ängstlich ihren Blick. Hannah konnte noch sehen, wie die beiden abgeführt wurden. Ihr Herz drohte vor Entsetzen zu zerbersten, als der Abstand |428| zwischen ihnen immer größer wurde und die brodelnde Menge die beiden schließlich verschlang.
Doch bevor sie lange darüber nachdenken konnte, was als Nächstes geschah, fand sie sich mit Amelie und Freya in einem abgeschlossenen Trakt des Palastes wieder, der die Unruhe der Stadt vollkommen abschirmte. Wachmänner mit schwarzen Schärpen nahmen sie in ihre Obhut. Von al-Mumkin und seinen Schergen war nichts mehr zu sehen. Die Wachmänner schoben sie mit routinemäßiger Respektlosigkeit vor sich her. Zum Glück waren Amelie und Freya noch an ihrer Seite, als eine weitere Garde von seltsam aussehenden Männern sie im nächsten Gang in Empfang nahm. Stark geschminkt mit weißer, roter und schwarzer Farbe und in Pluderhosen wirkten sie beinahe wie Frauen.
Die Ausstattung des Palastes war märchenhaft: weißer Marmor, schwere Damastvorhänge in gedeckten Farben und feingewebte Teppiche, so weit das Auge reichte. Gläserne Öllichter in bunt schillernden Farben illuminierten die Räume. Eine Flügeltür aus geschnitztem Holz wurde aufgezogen und gab den Blick in einen begrünten Innenhof frei. Mit einem Mal roch es intensiv nach Jasmin, was sicherlich den vielen, blühenden Bäumen zu verdanken war, die einen apricotfarbenen Marmorbrunnen umringten. Über dessen Rand plätscherte Wasser in einen rechteckigen Teich. Darin schwammen weiße Seerosen und bunte Fische. Mit allem hatte Hannah in dieser archaischen Welt gerechnet, aber nicht mit einer solchen Pracht.
Ihre weibischen Aufpasser überantworteten sie einer verhärmt aussehenden Frau. Deren langärmeliges, bodenlanges Kleid aus bunt schimmernder Seide, das mit Hunderten von in Gold gestickten Ornamenten versehen war, wirkte überaus kostbar. Ihr aufgestecktes, langes schwarzes Haar zeigte die ersten silbernen Fäden, die sie offenbar mit Henna zu überdecken suchte.
»Mein Name ist Adiba. Willkommen im Hause des Statthalters von Askalon«, sagte sie auf Latein. Hannah wunderte sich, dass sie die Frau recht gut verstehen konnte. »Dass Ihr nicht freiwillig hier seid, darüber müssen wir nicht reden. Aber seid beruhigt. Der Emir bevorzugt fränkische Frauen. Ich bin überzeugt, er wird sich an Eurem Anblick erfreuen. Ihr habt die Wahl, ihm zu dienen oder zu sterben. Ich hoffe für Euch, Ihr entscheidet Euch für Ersteres.«
|429| Anselm war von vorneherein klar gewesen, dass der Transfer eine Menge Probleme mit sich bringen konnte. Deshalb hatte er auch darauf bestanden, Hannah und ihre Freundinnen zu begleiten. Allerdings hatte er sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt, dass es so schlecht laufen würde.
Eskortiert von Soldaten, die ihn mit finsterer Miene und bis an die Zähne bewaffnet durch eine Gasse von Neugierigen stießen, wurde er bespuckt, geschlagen und getreten. Die Schreie und Beschimpfungen steigerten sich in eine regelrechte Hysterie. Als wäre er in Trance, zogen die wutverzerrten Gesichter an Anselm vorbei. Offenbar waren sie in einer muslimischen Festung gelandet, deren Bewohner auf fränkisch aussehende Gefangene nicht gut zu sprechen waren. Das Einzige, das ihn nicht einfach zusammenbrechen ließ, nachdem er Hannah, Freya und Amelie aus den Augen verloren hatte, war Matthäus, der sich völlig apathisch an ihn drängte.
Die schwer bewaffneten Schergen brachten sie zu einem schmalen Spitzbogentor, von wo aus eine in Stein gehauene Treppe in einen stinkenden Untergrund führte. Unten eröffnete sich ihnen ein düsteres Labyrinth, das hier und da von einer Fackel erleuchtet wurde. Anselm erinnerte sich zu gut daran, wie er im Herbst 1307 nicht mehr damit gerechnet hatte, aus einem solchen Verlies lebend herauszukommen. Er und die anderen hatten es einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass Tom sie mit dem Timeserver in letzter Minute herausgeholt hatte. Ob er diesmal ebenso viel Glück haben würde, bezweifelte er.
Erst recht, als sie, eskortiert von Kerkerwächtern, noch tiefer in den Untergrund vordrangen. Dabei ging es an zahlreichen vergitterten Verschlägen vorbei, in denen kaum noch als solche zu erkennende menschliche Gestalten an Ketten hängend vor sich hin vegetierten. Anselm stockte vor Grauen der Herzschlag, als Matthäus einen jähen Schrei ausstieß. An einem von Öllichtern spärlich erhellten
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