Die Rueckkehr der Templer - Roman
Geschichte …«
»Was redest du da, Mann?« Khaled schaute Anselm an, als ob er den Verstand verloren hätte. Vielleicht war der bärtige Franke tatsächlich benebelt oder genauso verrückt wie er selbst. Allerdings hatte er noch keine fünf Jahre in diesem Loch gesessen und seine fehlenden Fleischrationen – so, wie seine füllige Statur es verriet – bisher durch regelmäßige Jagd auf Ratten ersetzen müssen.
»Wenn ich es dir sage«, wiederholte Anselm. »Unsere Verbündeten stammen wie wir aus der Zukunft und sind auf der Suche nach den beiden Frauen. Ihre Schwester heißt Rona. Ist es nicht so?«
Khaled nickte wie betäubt. Hatte er den Kerl tatsächlich richtig verstanden?
|434| Sein Altfranzösisch klang merkwürdig, aber verständlich. Plötzlich kam ihm ein fataler Gedanke. Die Agenten des Wesirs hatten seine Träume belauscht.
Nachts wenn er schweißgebadet wach wurde und die Namen der Frauen in die Dunkelheit schrie. Vielleicht hatte er auch anderes verraten, ohne es zu wissen. Wie konnte er nur so dumm sein, zu glauben, die beiden neuen Gefangenen seien harmlose Gestalten, denen es nicht besser erging als ihm? »Du gehörst zu ihnen«, sagte Khaled mit schneidender Stimme.
»Zu wem?« Anselm schaute ihn verständnislos an.
»Zu den Spionen des Wesirs. Ihr wollt mein Geheimnis auf diese Weise erfahren.«
»Aber nein«, beschwichtigte ihn der Franke und hob die Hände zu einer beruhigenden Geste. »Warum sollte ich dich belügen? Was für einen Grund hätte ich dazu? Dass wir keine Spione sind, müsstest du alleine am Verhalten des Jungen erkennen.«
Khaleds Blick wanderte zu Matthäus, der ihn bleich und verunsichert beobachtete, als wäre er ein wildes Tier, das man nicht aus den Augen lassen durfte.
»In welchem Jahr wurdest du geboren?«, fragte Khaled ihn hart.
»Im Jahre nach der Fleischwerdung unseres Herrn 1295«, antwortete der Junge schüchtern.
Ein hastiger Blick zu seinem Herrn bestätigte Khaled, dass er nicht gelogen hatte. Khaled beherrschte es wie kein anderer, aus den Gesichtern seiner Gegner ihre wahren Beweggründe herauszulesen. Und dieser verängstigte Knappe sprach die Wahrheit.
»Und wie bist du hierhergekommen?«, fragte Khaled mit einem provozierenden Lächeln. »Mit einem fliegenden Teppich?«
Der Blick des Jungen huschte verunsichert zu seinem Begleiter hin.
»Sag’s ihm ruhig«, erklärte der Ältere.
Stockend begann Matthäus von seinen Erfahrungen in der Zukunft zu berichten, in denen er eine Maschine erwähnte, die exakt jenen Beobachtungen entsprach, die Khaled Jahre zuvor im Beisein von André de Montbard auf dem Tempelberg in Jerusalem gemacht hatte. Der Junge schien all das völlig normal zu finden und umschrieb dieses Wunder in blumigen Worten.
|435| Khaled erinnerte sich gut daran, dass es Lyn nicht anders ergangen war, als sie ihm vor Jahren von ihrer Herkunft erzählt hatte. Matthäus fabulierte – ähnlich wie sie damals – immer flüssiger von seinen merkwürdigen Erlebnissen.
Khaled begriff, dass Lyn noch leben musste und sie die ganze Zeit, in der er Folter, Hunger und Hoffnungslosigkeit über sich hatte ergehen lassen müssen, in Jerusalem gelebt hatte. In seinen Gedanken erhob sich ein Sturm, den er seit Jahren zu unterdrücken versuchte. Warum hatte Lyn niemals nach ihm gesucht, warum hatte Montbard nichts unternommen, um ihn freizukaufen? Dass er von Melisende keine Unterstützung erwarten konnte, war klar – aber die Templer verfügten über genug Geld und Verbindungen, um herauszufinden, dass er noch lebte, und ihn aus dieser Hölle herauszuholen. Verdammt, lag es daran, dass man ihn für tot hielt? Oder hatte man ihn einfach vergessen? Oder liebte Lyn ihn nicht mehr genug und war froh, dass er verschwunden blieb?
Plötzlich schossen Khaled Tränen in die Augen. Es half nichts, er musste sich setzen und schlug die Hände vors Gesicht.
Anselm fragte sich, was den plötzlichen Gefühlsausbruch des Mannes verursacht hatte. Man benötigte kein gesteigertes Vorstellungsvermögen, um zu wissen, dass man hier unten schon nach kurzer Zeit ein bösartiges, irreparables Trauma entwickelte, erst recht, wenn man Jahre in diesem Loch zugebracht hatte. Khaled hatte in dieser Zeit eine Strichliste geführt, deren ellenlange Einkerbungen im flackernden Feuer an der gegenüberliegenden Wand zu sehen waren. Anselm ahnte, dass er selbst eine so lange Zeit wahrscheinlich nicht lebend überstanden hätte. Der Fraß aus verdorbenen
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