Die Rueckkehr der Templer - Roman
Matthäus hatte die Auseinandersetzung mit einiger Unruhe verfolgt, aber Hannah konnte sich denken, warum er nichts sagte. Geros ritterliche Erziehung, deren Einfluss der Junge nicht leugnen konnte, sah nicht vor, dass Frauen und Kinder einer männlichen Respektsperson widersprachen und sie sich deshalb ohne Ausnahme Anselms Willen unterzuordnen hatten.
Es war heiß und stickig, und nach Jerusalem waren es noch mindestens fünfzig Kilometer zu laufen. Daher blieb es fraglich, ob sie die Strecke an einem Tag schaffen würden. Ihre Stimmung war ziemlich düster, während sie schweigsam den Arabern hinterherstapften, die ein recht hohes Tempo vorlegten.
Bereits nach kurzer Zeit geriet Hannah ins Schwitzen, und sie begriff, auf was sie sich eingelassen hatten. Weit und breit waren nur Sand und Steine zu sehen – ab und an eine Palme oder ein verlassenes Dorf mit kleinen Lehmhäusern. Über allem flimmerte die Hitze.
Sie waren über zwei Stunden unterwegs, als sie die erste Rast einlegten. Anselm verteilte Wasser und Brot aus dem Proviantbeutel, und Hannah dachte an die Medikamente, die Karen ihr mit auf den Weg gegeben hatte. Vielleicht war auch etwas gegen Mineralverlust dabei. Dann dachte sie daran, was Gero sagen würde, wenn sie unvermittelt in Jerusalem auftauchten. Wahrscheinlich würde er sie zur Hölle jagen, erst recht, wenn er erfahren würde, dass sie schwanger war und keine Aussicht auf Rückkehr bestand. Nicht, dass er ihr gegenüber jemals grob geworden wäre, schließlich war er von Kopf bis Fuß ein Ehrenmann. Aber seine physische Präsenz, wenn er wütend wurde, war ziemlich beeindruckend.
Während sie noch nachdenklich auf ihrem Fladen kaute, bemerkte sie, wie Tarek mehrere Brieftauben aus einem kleinen Bastkäfig aufsteigen ließ, die er zuvor offenbar mit einer Nachricht versehen hatte. Im Nu hatten die Tiere an Höhe gewonnen und flogen der Sonne entgegen. Unwillkürlich musste Hannah schmunzeln. Ob er seiner Frau mitteilte, dass er sich zum Abendessen verspäten würde? Wie gerne hätte sie in den nächsten Tagen auch ein paar dieser Vögel in die Freiheit entlassen, um Gero zu warnen, damit sein Zorn nicht ganz so fürchterlich ausfiel, wenn er feststellte, dass sie und die anderen ihm gefolgt waren. Oder waren sie ihm sogar zuvorgekommen?
Verwirrt wandte sie sich Matthäus zu, der an ihrem Ärmel zupfte.
|423| »Wie lange dauert es noch, bis wir angekommen sind?«, fragte der Junge.
Hannah legte die Stirn in Falten. »Wenn du Langeweile hast, gebe ich dir eine kleine Rechenaufgabe. Wir haben fünfzig Kilometer zu bewältigen und schaffen bei dem Tempo vielleicht fünf Kilometer in der Stunde. Na, wie lange wird es wohl dauern?«
Matthäus verzog beleidigt die Nase. »Etwa zehn Stunden. Mit einem Pferd hätten wir es in der halben Zeit geschafft.«
»Ja«, blaffte Anselm, der die Unterhaltung mitbekommen hatte. »Und mit einem Auto in einer halben Stunde.«
Hannah schaute den Jungen zärtlich an. Matthäus würde erst zufrieden sein, wenn Gero wieder in seiner Nähe war.
»Ich habe keine Ahnung, wo wir sind«, gestand Anselm, der nach der fünften Palme und dem dreißigsten Olivenhain, an dem sie vorbeigezogen waren, vollkommen die Orientierung verloren hatte. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass wir nicht irgendwo übernachten können. Schließlich wird es bald Abend, und die Silhouette von Jerusalem ist noch nicht zu erkennen.«
Das Einzige, was nach einer weiteren Stunde am Horizont auftauchte, war eine Horde von ungefähr zwanzig Reitern, die Tarek offenbar recht gut kannte. Jedenfalls begrüßten sie sich mit Küssen und Handschlägen wie lang vermisste Verwandte.
»Die Männer machen mir Angst«, flüsterte Amelie, als sie die neu hinzugekommenen Krieger betrachtete, die, allesamt mit Pfeil und Bogen ausgestattet, muslimischer Herkunft waren.
Tarek überraschte Anselm wenig später mit der Information, dass sich ihre Wege nun leider trennen müssten. Sein Bruder im Geiste, Omar al-Mumkin, der als Späher in Diensten der Christen stünde, würde sie mit in die Heilige Stadt nehmen. Er selbst müsse noch einen Zwischenstopp in Nazareth einlegen und deshalb eine andere Route einschlagen.
Da davon nie zuvor die Rede gewesen war, forderte Anselm den Araber zu einer Erklärung auf.
»Macht euch keine Gedanken«, erklärte Tarek mit seinem gleichmütigen Lächeln. »Sie werden euch dorthin bringen, wo ihr zu sein wünscht.«
Hannah wurde das Gefühl nicht los, dass er dabei
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