Die Rueckkehr der Templer - Roman
Mittel, deren Versteck sie ihrem Sohn allerdings bisher vorenthalten hat und die sie niemals freiwillig herausrücken wird. Allein deshalb sollte man ihren Einfluss nicht unterschätzen, auch wenn ihr das offiziell niemand mehr zugestehen will.«
»Wenn du aus der Zukunft kommst«, bemerkte Lyn, »weißt du vielleicht, dass der Konflikt zwischen Mutter und Sohn die Christen hier vor einem Jahr an den Rand eines Bürgerkrieges getrieben hat. Seitdem ist die politische Lage in dieser Gegend instabil. Es ist erschreckend, aber alles ist genauso geschehen, wie es die Geschichtsdateien vorgegeben haben. Nichts konnte durch unsere Anwesenheit zum Positiven verändert werden.«
»Das mit Khaled tut mir aufrichtig leid«, sagte Arnaud aus voller Überzeugung, weil es ihn mehr berührte als alles andere. Ein rascher Blick zu Lyn bestätigte ihm, dass die junge Frau das Verschwinden des Mannes noch immer nicht verwunden hatte.
»Die Königin selbst trägt die Verantwortung für Khaleds Tod«, fügte Lyn leise hinzu. »Wie ich später herausfinden konnte, hat sie ihn damals nicht nur als Liebhaber benutzt, sondern auch dafür, ihre Unschuld an einer Bestechungsaffäre in diesem Krieg zu untermauern.« Ihre sonst so sanften Züge versteinerten. »Ich hasse Melisende«, sagte sie tonlos. »Und ich hasse alle, ganz gleich ob Muslime oder Christen, |454| die Menschen so etwas antun und ihre Gier hinter ihrem Glauben verstecken.«
»Also habt ihr das Gelübde im Lazarus-Orden gar nicht aus Überzeugung abgelegt?« Arnauds Augen suchten Ronas funkelnden Blick.
»Nein. Wir haben einfach das nachgesprochen, was man uns gesagt hat – und das war’s. Dort, wo wir herkommen, gibt es keinen Gott.«
Arnaud akzeptierte wortlos die Ungeheuerlichkeit, die sich hinter dieser simplen Erklärung verbarg. Toleranz gegenüber Andersgläubigen war etwas, das er unter der Führung von Henri d’Our gelernt hatte, aber dass jemand an gar nichts glaubte, hielt er für ziemlich bedauerlich. Somit würde sie niemals in den Genuss eines wie auch immer gearteten Paradieses gelangen.
»Das bedeutet, dass weder der Königshof noch Tramelay wissen, wo eure Wiege stand – und welche Fähigkeiten ihr besitzt?« Arnauds Frage war mehr eine Feststellung, die Rona mit einem Schmunzeln bestätigte.
»Montbard würde niemals jemanden ins Vertrauen ziehen, der seiner Meinung nach nicht würdig ist. Außer ihm und dem Hohen Rat wusste nur Khaled davon. Er genoss Montbards volles Vertrauen, und schließlich war er es, der uns zu ihm gebracht hat.«
Arnauds Blick glitt zu Lyn, die nachdenklich ins Feuer starrte und dann zu Rona. Gerne hätte er mehr über sie und ihre Schwester erfahren. Warum sie sich für einen solch gewagten Transfer gemeldet hatten, und wie es wohl dort aussah, wo sie ursprünglich herstammten.
Gero hatte in der Nacht kaum Schlaf gefunden. Und in den wenigen Stunden, die er schlief, hatte er von Hannah geträumt. Sie war ihm als Engel erschienen und hatte ihm offenbart, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte.
»Ich werde dir verziehen haben, wenn wir uns im Jenseits treffen«, hatte sie ihm mit einem Lächeln versichert und ihn zum Abschied zärtlich geküsst.
Im richtigen Leben würde sie anders reagieren. Eine Ohrfeige war das mindeste, was ihn erwartete, sollte er ihr jemals wieder unter die Augen treten. Wahrscheinlicher war, dass sie selbst im Paradies nichts mehr von ihm wissen wollte. Und recht hatte sie. Wie hatte er so einfältig sein können, zu glauben, er würde ausgerechnet hier eine Lösung finden, um in der Zukunft in Frieden miteinander leben zu können?
|455| Im Moment sah es ganz danach aus, als ob seine Kameraden und er ein unehrenhaftes und viel zu frühes Ende finden würden.
Ein Wächter rüttelte an den Gitterstäben, und ein anderer schlug mit einem Kampfhammer auf einen Eimer aus Eisen, damit auch der Letzte wusste, dass eine weitere Nacht zwischen stinkendem Stroh und furchtlosen Ratten zu Ende gegangen war. Struan warf Gero ein ermutigendes Lächeln zu, was äußerst selten vorkam und die Aussichtslosigkeit ihrer Situation nur noch mehr unterstrich. Heute war Sonntag, der Tag, an dem sie dem Generalkapitel vorgeführt werden sollten, das in diesen Zeiten noch in Jerusalem abgehalten wurde und in dem Berengar von Beirut als Komtur des Hauses den Vorsitz innehatte. Außerdem hatte sich hoher Besuch angekündigt, wie einer der Kerkerwächter mit einiger Häme verraten hatte. Bernard von Tramelay
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