Die Rueckkehr der Templer - Roman
winzige Wunde unterhalb der linken Brustwarze.
»Habt ihr so etwas schon einmal gesehen?« Der Bischof schaute in die neugierige Menge. Kopfschütteln machte die Runde.
»Es war kein Pfeil und auch keine Lanze, dafür ist die Wunde zu klein. Und ein Schwert war es auch nicht. Also was war es dann?«
Sein bohrender Blick richtete sich auf Agent Tanner, der einfach dasaß und ihn anstarrte, als hätte man ihm eine Opiumpille verabreicht.
Ralph hatte in Latein gesprochen, was Tanner zwar verstand, doch er war immer noch grün im Gesicht und blieb ihm wegen eines heftigen Würgereizes eine Antwort schuldig.
»Seid ihr mit den Mächten des Bösen im Bunde?«, rief Ralph mit schneidender Stimme.
Als Tanner immer noch nicht antwortete, nahm der Bischof all seinen Mut zusammen und ging zum Pult, um die hölzerne Kiste mit den Überresten des merkwürdigen Gegenstandes an sich zu nehmen und Bruder Jacob von Tannenberg, wie Tanner hier offiziell hieß, unter die Nase zu halten. »Was ist das?«, fragte er forsch.
Tanner besann sich einen Moment. »Eine Heckler & Koch«, antwortete er mit verwaschener Stimme.
»Eine was?« Ralph schaute ihn begriffsstutzig an.
»Eine Pistole.« Tanner machte sich nicht die Mühe, das Wort zu übersetzen.
»Und du willst mir nicht verraten, was das bedeutet?«
»Es bedeutet«, erklärte Tanner entnervt, »damit kannst du … jemanden über den Haufen schießen.«
Ralph legte den Kopf schief und sah ihn prüfend an. »Bedeutet das«, er zögerte einen Moment lang, seines wichtigen Auftrittes durchaus bewusst, »du hast den Bruder mit dieser seltsamen Waffe getötet?«
|462| »Überleg dir genau, was du sagst«, zischte Gero.
»Ruhe im Saal!«, brüllte Berengar.
»Ja, verdammt«, keuchte Tanner verzweifelt. »Er hat es nicht anders verdient. Er hat Frauen und Kinder abgeschlachtet, genauso wie die restliche Bande.« Im nächsten Moment musste er sich vollends übergeben. Ralph sprang angewidert zurück, obwohl Tanner nur ein letzter Rest Galle aus dem Mund tropfte, was den Eindruck, dass er von einem Dämon besessen war, noch verstärkte.
Während Tanner sich stöhnend krümmte, fasste der Bischof offenbar einen Entschluss. »Wie Ihr alle sehen könnt, steckt der Teufel in ihm«, konstatierte er zufrieden. »Er gibt zu, mit diesem Teufelsstock unsere Brüder getötet zu haben – außerdem behauptet er, sie hätten an seiner Stelle das Dorf überfallen. Eine ungeheuerliche Beschuldigung, die wir keinesfalls dulden dürfen. Denn nicht nur der Ruf des Templerordens steht auf dem Spiel, auch der des Königs und seiner Barone. Deshalb erbitte ich das Ordenskapitel von Jerusalem, im Namen des Großmeisters ein gerechtes Urteil über diese Männer zu fällen, auf dass sie ihr schändliches Maul nie mehr gegen uns und die Ehre des Ordens erheben können.«
Gero und seine Kameraden wurden streng bewacht in einen Nebenraum geführt, während sich die zwölf Geschworenen, deren Vorsitz Tramelay übernommen hatte, zur Beratung zurückzogen. Zu Geros Überraschung war auch Montbard mit von der Partie. Gero ließ den graubärtigen Mann nicht aus den Augen, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. Dabei hatte er abermals Montbards durchdringenden Blick aufgefangen.
Nach einer Stunde kehrten die Templer zur Urteilsverkündung zurück in den Saal. Tramelay und seine Getreuen hatten mit den anderen Geschworenen ihre angestammten Plätze eingenommen, bis auf Montbard, der verschwunden blieb.
Berengar von Beirut ergriff mit einem kühlen, abgeklärten Gesichtsausdruck das Wort. »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, im Angesicht unserer Muttergottes Maria«, begann er mit einem raschen Blick zu einer in Stein gemeißelten Muttergottesfigur. »In der Zeugenschaft der hier anwesenden Brüder obliegt es unserem Vater und Großmeister Bernard von Tramelay, Gott steh ihm allseits bei, folgendes Urteil zu sprechen.«
|463| Nun war es an Tramelay fortzufahren, der sich mit bitterböser Miene erhob.
»Die Geschworenen haben die hier Anwesenden mit einer Stimmenthaltung für schuldig befunden, im Auftrag der Sarazenen ein jüdisches Dorf überfallen und anschließend unsere zur Hilfe eilenden Brüder unter Anrufung des Teufels getötet zu haben. Ab sofort haben die Beschuldigten ihre Chlamys abzulegen und als reuige Sünder im Kerker auf die Vollstreckung ihrer Strafe zu warten, die morgen in aller Frühe bei Sonnenaufgang und ohne Zeugen in den Ställen des Salomo erfolgen
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