Die Rueckkehr der Templer - Roman
der dessen Unsicherheit, weil ihm offenbar nicht einfiel, woher er ihn kannte. In guten Zeiten war Khaled manchmal mit Azim und Mahmud |521| hier eingekehrt, um sich in einem geheimen Nebenzimmer eine kleine Räucherpfanne mit Opium zu gönnen. Dabei hatten sie mit Zucker gesüßten Minzesud getrunken und sich hemmungslos mit gekauften Weibern amüsiert.
Montbard blieb nicht im Schankraum stehen, sondern führte Khaled die Treppe hinauf zu jenen Zimmern, die man für eine ganze Nacht mieten konnte, falls man sich ausgiebiger amüsieren wollte.
Der Templer klopfte an eine der vielen Türen, und der Mann, der ihm öffnete, sah mit seinen braunen Locken und dem dunklen Teint zwar aus wie ein Sarazene, aber er war nicht von hier, wie sein akkonesischer Dialekt verriet.
Offenbar war er sogar ein Templer, was Khaled am Begrüßungsritual erkannte und an der Tatsache, dass Montbard ihn als Bruder Arnaud vorstellte. Nachdem er sich bei Montbard vergewissert hatte, dass Khaled zu ihm gehörte, winkte er ihn in das Zimmer hinein, in dem eine größere Ansammlung Menschen saß und auf sie wartete.
Khaled musste sich ein wenig ducken, um nicht an den Türrahmen zu stoßen, aber als er aufblickte, verlor er beinahe das Gleichgewicht.
In Reichweite vor ihm war Lyn – so schön und anmutig, wie er sie selbst in seinen kühnsten Erinnerungen niemals gesehen hatte. Sie trug ein bezauberndes Kleid aus indischer Seide und saß neben ihrer ähnlich gewandeten Schwester auf einem breiten Bett. Als sie zu ihm aufschaute, trafen sich ihre Blicke, und die Gewissheit, dass sie keine Vision war, raste wie ein Blitz durch seinen Körper. Dass es ihr nicht anders erging, konnte er daran sehen, wie beängstigend schnell sie erbleichte.
»Khaled?« Ihre sonst so angenehm weiche Stimme war ein krächzendes Flüstern.
Montbard lächelte weise. »Damit hättet ihr jetzt nicht gerechnet, oder?«
Khaled blieb stocksteif im Türrahmen stehen, aus Angst, zu stolpern, wenn er einen einzigen Schritt machte. Das Gefühl, dass ihn alle anstarrten, ignorierte er hartnäckig. Lyn erhob sich rasch. Schwankend kam sie ihm entgegen und fasste ihn bei der Hand. Sanft zog sie ihn hinaus aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich, damit sie allein waren. Tränen schimmerten in ihren großen, veilchenblauen |522| Augen, und ihre Hände berührten sein Gesicht so sacht, als habe sie Angst, es könnte unter ihren Fingern zerbrechen. Dann befreite sie ihn von dem Turban und fuhr durch sein feuchtes Haar. »Du lebst«, hauchte sie.
Khaled konnte sich nicht länger zurückhalten und zog sie in seine Arme, wobei er sein Gesicht an ihren Hals presste und hemmungslos zu schluchzen begann. Er spürte, wie ihr Körper erbebte und ihr Atem über seinen Nacken strich. Sie weinte auch. Es kam ihm vor, als ob sich bei beiden eine Schleuse geöffnet hätte. Der Stoff an seiner Schulter war schon ganz durchnässt, als er voller Zärtlichkeit ihren Hals küsste. »Ich hab dich so vermisst«, flüsterte er an ihr Ohr. »Allein die Hoffnung, dich wiederzusehen, hat mich am Leben erhalten.«
»Ich dachte, du wärst tot«, stammelte Lyn. Sie zog den Kopf zurück, um einen Blick in seine Augen zu wagen. »Deine Leiche wurde nicht gefunden, und auch auf der Exekutionsliste, die von Balduin persönlich unterzeichnet worden ist, warst du nicht zu finden.« Sie seufzte erleichtert und küsste ihn auf den Mund. Ihre Hand strich liebevoll über seinen kurzen Bart. »Hätte ich gewusst, dass du lebst, ich hätte alles getan, um dich zu retten.«
»Du hast mich gerettet«, sagte er rau. »Indem du Nacht für Nacht in meinen Träumen erschienen bist.«
»Ich liebe dich«, bekannte sie und schmiegte sich eng an ihn. »Ich habe keinen einzigen Tag aufgehört, dich zu lieben.« Ihre Hände fuhren suchend über seinen viel zu weiten Kaftan und strichen über seinen knochigen Rücken, wobei sie trotz des fest gewebten Stoffs jede einzelne der wulstigen Narben ertastete, die er dem Kerkermeister von Askalon zu verdanken hatte.
»Ich habe mich verändert«, sagte Khaled beinahe entschuldigend. »Äußerlich, aber auch innerlich. Ich habe die letzten fünf Jahre in einem Kerker verbracht. Da ist nichts mehr, worauf du stolz sein könntest. Ich bin ein gebrochener Krieger.«
»Trifft das nicht auf uns alle zu?«, tröstete sie ihn. »Wir verändern uns mit jedem Tag, den wir erleben. Alles, was uns an Üblem widerfährt, hinterlässt Narben. Aber wie sollten wir nach vorne schauen,
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