Die Rueckkehr der Templer - Roman
diese fünf seltsamen Taugenichtse aus der Tasche gelockt hat.«
|677| Berengar von Beirut war mitten im Chorgang stehen geblieben und sah sich mit einem verschwörerischen Blick um. Erst als er sicher war, von niemandem belauscht zu werden, fuhr er fort. »Vielleicht steckt da etwas Größeres dahinter?«
»An was denkst du?« Offenbar konnte Vezelay seinem Ordensbruder nicht folgen.
»An den Kelch, den Bruder Bernard im Auftrag des Königs beschaffen sollte. Vielleicht haben Montbard und die Königin unsere Absichten durchschaut? Vielleicht hatten sie ähnliche Pläne. Und jetzt, wo Bruder Bernard einen sinnlosen Tod gestorben ist, schmiedet man neue Pläne, um in den Besitz des Geheimnisses zu gelangen.« Berengar zuckte mit den Schultern. »Vielleicht weiß Montbard etwas, das wir nicht wissen.«
»Was ist denn mit seinen Günstlingen geschehen?«, wollte Vezelay wissen. »Sie haben Meister Bernard bei dem Angriff auf Askalon begleitet. Sind sie tot?«
Berengar kniff seine ohnehin schmalen Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. »Ihre Leichen wurden nicht gefunden, und ihre Köpfe waren bei den Katapultgeschossen auch nicht dabei.«
»Das ist merkwürdig«, murmelte de Vezelay. »Ich denke, wir sollten dem nachgehen.«
»Fürwahr«, erwiderte Berengar. »Und zwar bevor der Papst in Rom ausgerechnet Montbard zum neuen Großmeister vorschlägt.«
Gero zwängte sich tiefer in seine Nische, als die beiden ihn mit düsterer Miene passierten.
Dass Montbard das Wissen um den Kelch an den jungen König verkaufen könnte, um seine Position innerhalb des Ordens als Großmeister zu stärken, war Gero noch gar nicht in den Sinn gekommen.
Nachdem de Vezelay und Berengar von Beirut im Treppenhaus verschwunden waren, hastete Gero zu den Gästeunterkünften. Vorsichtig öffnete er eine Tür nach der anderen. Keinesfalls wollte er dabei auf die Königin oder ihr weibliches Gefolge stoßen.
Nach der vierten Tür wurde er fündig. Er erkannte Montbards lederne Aktentasche, die er vor Gericht bei sich gehabt hatte, und außerdem hing eine zweite, saubere Chlamys an einem Haken, in deren Kragen sein Name eingestickt worden war: Frater André de Montbard.
Draußen läutete man anstatt zur Vesper zur Totenmesse, und Gero wurde mit einem Mal bewusst, dass es ebenso ihn und seine Kameraden |678| hätte erwischen können. Wahrscheinlich hatte Montbard im Moment Wichtigeres zu tun, als in seiner Klause zu fasten und zu beten. Der Kampf um die Nachfolge Tramelays schien in vollem Gange. Aber wenn er wissen wollte, wo Matthäus zu finden war, blieb Gero gar keine andere Wahl, als Montbard noch einmal zur Rede zu stellen. Ungeduldig wanderte er in dem kleinen Zimmer umher und warf einen Blick durch ein offenes, schmales Fenster auf die abendliche Brandung. Unten im Lager hatte man schon einige Feuer entzündet, und es roch nach gebratenem Fisch. Nach all der Hektik vom Mittag war es nun erstaunlich ruhig. Männer und Frauen, die gestern noch dort unten gelacht und gefeiert hatten, wirkten mit einem Mal wie gelähmt.
Plötzlich waren Schritte zu hören. Gero versteckte sich hinter der Tür. Stimmen von einem Mann und einer Frau erklangen. Melisende! Herrgott, was trieb ausgerechnet sie hierher? Als die Tür aufsprang und Montbard ins Zimmer trat, war sie es, die ihm in seine Klause folgte und ihm dabei verhaltene Vorwürfe machte.
»Was ist jetzt mit unserem Plan?«, keifte sie. »Tramelay ist tot, und wo sind deine ach so fähigen Ritter? Wir haben weder etwas von deinen Spionen gehört noch von Khaled und deinen mongolischen Prinzessinnen? Und verdammt, was ist mit dem Kelch und wie soll es nun weitergehen?«
Gero hörte, wie die Königin offenbar mit ihren zierlichen Stiefelchen auf dem Marmor aufstampfte. »Denkst du, ich werde deine Wahl zum Großmeister mit einem Haufen Geld unterstützen, wenn du mir bloß heiße Luft dafür bietest?«
Der zukünftige Großmeister stieß einen Seufzer aus. »Komm erst mal herein«, zischte er. »Es muss dich ja nicht jeder hören.«
»Wer sollte mich hören?«, keifte sie weiter. »Sie hocken alle unten beim Patriarchen und versuchen, die verbliebenen Heerführer für einen weiteren Angriff zu begeistern. Was uns jedoch nichts nützen wird, weil wir niemanden mehr haben, der für uns den Kelch sichern könnte.«
Durch einen Spalt konnte Gero sehen, wie Montbard die Geduld verlor und Melisende am Ärmel ihres Gewandes in seine Unterkunft zog und die Tür hinter ihr ins Schloss fallen
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