Die Rueckkehr der Templer - Roman
unergründlich – aus der sie gekommen waren. Nur hier und da erhob sich ein Lichtschein über den Hügeln Jerusalems, die sie in der Düsternis erahnen konnte, und zeugte von Behausungen außerhalb der schützenden Mauern.
Rona trat an Lyns Seite, um sich ebenfalls einen Überblick zu verschaffen. Im nächsten Moment blies der aufkommende Wind die hellen |134| Seidengardinen zur Seite und ließ die dunkelroten Schabracken eines riesig anmutenden Baldachins über dem ebenso riesigen Bett geräuschvoll flattern. Auf der dicken, dunkelroten Seidenmatratze hatten leicht vier Menschen Platz. Nesha hatte die gesteppte Decke einladend aufgeschlagen und die zahllosen, gleichfarbigen Kissen auf dem Laken drapiert. Lyn hatte Mühe, ihr Erstaunen über all diese Pracht nicht allzu euphorisch zu zeigen. Ein verschwenderischer Luxus, wenn sie an die schmucklosen Pritschen in Lions Hauptquartier dachte – oder daran, wie sie früher Bett an Bett, mit steinharten Liegen und automatischer Weckfunktion in den Söldnerkasernen der Neuen Welt untergebracht gewesen waren.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Bettes stand eine breite, kniehohe hölzerne Truhe, reich verziert mit Schnitzereien, deren Deckel mit einem beeindruckenden Eisenschloss versehen war. Darauf befand sich ein Waschgeschirr samt Seifenschale aus reinstem, poliertem Silber, ein Stapel dunkelroter Leinentücher lag einladend daneben.
Nesha deutete auf verschiedenfarbige Glasflaschen mit unterschiedlichen Duftölen, die ihnen zur Verfügung standen.
»Der silberne Nachttopf steht unter dem Bett«, erklärte sie. »Er wird dreimal täglich geleert. Das Hammam für die Frauen ist unten im Kellergeschoss, getrennt von den Männern. In direkter Nachbarschaft findet man einen weiteren Abort, ebenfalls nach Männern und Frauen getrennt.«
»Ich hoffe, es ist euch genehm?« Khaled war die Anspannung anzusehen, als er sich an Rona und Lyn wandte.
»Geht schon in Ordnung«, erwiderte Rona mit gewohnt gleichgültiger Miene.
»Es tut mir leid, wenn ihr Besseres gewohnt seid«, begann Khaled von neuem sich zu entschuldigen. »Es ist eines der komfortabelsten Zimmer im Palast. Normalerweise ist es für den Konstabler der Königin reserviert, wenn er in Jerusalem weilt.«
»Und wo ist er jetzt?« Lyns Frage kam unvermittelt, ihr Blick wanderte von Khaled zu Nesha.
»Wer?« Nesha sah sie aufgeschreckt an.
»Na – dieser Konstabler. Er ist hoffentlich nicht verärgert, wenn wir in seinem Bett schlafen und seine Seife benutzen?«
Lyn fragte sich, ob es die merkwürdige energetische Spannung dieses |135| Raumes war, die sie verunsicherte. Sie empfing die verwirrenden Signale menschlicher Emotionen recht deutlich, und im Gegensatz zu den tödlichen Schwingungen zuvor konnte sie das Ganze nicht in gespeicherte Dateibilder einordnen. Die zögernde Haltung des Mädchens und ihr aufgeschreckter Blick ließen vermuten, dass mit dem Zimmer irgendetwas nicht stimmte.
»Der Graf von Hierges ist ein enger Vertrauter der Königin«, erklärte Khaled sachlich, »der nur ab und an hier nächtigt. Im Moment weilt er mit dem Gefolge der Königin in Akko. Nach allem, was ich weiß, wird er in den nächsten Wochen nicht hierher zurückkehren. Ihr braucht euch also keine Sorgen zu machen, hier nicht willkommen zu sein.«
»Danke … für alles«, bemerkte Lyn mit einem zaghaften Lächeln.
»Wir werden eure Gastfreundschaft ohnehin nicht lange in Anspruch nehmen«, bemerkte Rona kühl. »Sobald sich die Gelegenheit dazu ergibt, werden wir weiterziehen.«
Khaled schaute fragend auf, und Lyn zuckte ihm gegenüber leicht mit den Schultern, was bedeuten sollte, dass sie keine Ahnung hatte, worauf Rona hinauswollte.
Eine Dienerin huschte ins Zimmer und trug eine große Kanne mit Wasser herbei, damit sie sich waschen konnten. Eine weitere brachte eine Kristall-Karaffe mit Wein, dazu einen Teller mit Obst, Nüssen und frisch gebackenem Fladenbrot.
Lyn betrachtete stumm das reichhaltige Nahrungsangebot und kämpfte dabei mit ihren Emotionen. Melonen, Trauben, Orangen, Feigen, Aprikosen, Kirschpflaumen. Alles frisch gepflückt und so makellos wie ein genmanipulierter Apfel, den es in ihrer Zeit nur zu besonderen Anlässen gab.
»Das ist …« Ihr fehlten die Worte.
»Außerordentlich freundlich«, beendete Rona den Satz und ließ sich nicht anmerken, dass sie angesichts dieses ungewohnten Luxus genauso überwältigt war wie ihre Schwester. »Aber wäre es möglich, dass ihr uns nun alleine
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