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Die Rückkehr der Templerin

Die Rückkehr der Templerin

Titel: Die Rückkehr der Templerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sah sie auch einen Weiberrock in einem Zelt verschwinden oder auch die Hand eines Ritters ganz unverblümt sich unter einen solchen schieben.
    Sie hörte das heisere Kreischen von Wetzsteinen, die über Klingen gezogen wurden, das Scheppern von Metall, wo ein Schild ausgebeult oder ein zerschlagener Helm gerichtet wurde, das Peitschen von Bogensehnen, die ein letztes Mal prüfend gespannt und losgelassen wurden, das erleichterte Schnauben von Pferden, die nach einem langen ermüdenden Tag endlich vom Gewicht ihres Sattelzeugs und der Schabracken befreit waren. Musik drang in schrillen, misstönenden Fetzen an ihr Ohr, und einmal blieb sie eine Weile stehen und beobachtete einen Knappen, der ein schäbiges kleines Fass scheinbar ziellos mit dem Fuße hin und her rollte. Erst nach einer geraumen Weile wurde ihr klar, dass sich darin feiner Sand und das Kettenhemd eines Ritters befanden, das auf diese Weise effektiv vom letzten Stäubchen Flugrost gereinigt wurde. Auch das gehörte zu den viel zu vielen Dingen, die Bruder Abbé und die anderen ihr beigebracht und die sie wieder vergessen hatte.
    Robin fragte sich mit einem ihr selbst nicht ganz verständlichen Gefühl von Trauer, wie viele es noch sein mochten. Nachdem sie Salims Frau geworden war, hatte sie geglaubt, sich von ihrem alten Leben, das doch im Grunde aus nicht sehr viel mehr als einer Aneinanderreihung von Entbehrungen, Erniedrigungen, Schmerzen, Demütigungen und Lügen bestanden hatte, ohne allzu große Wehmut oder gar Trauer verabschieden zu können, und die Monate, die sie auf Masyaf verbracht hatte, schienen ihr Recht zu geben. Nur sehr selten hatte sie an diese Zeit zurückgedacht, und noch sehr viel seltener hatte sie dabei das Gefühl gehabt, tatsächlich etwas verloren zu haben, irgendetwas oder irgendjemandem nachtrauen zu müssen. Vielleicht Bruder Abbé, der ihr nicht nur das Leben gerettet hatte, sondern - mit Ausnahme ihrer Mutter - vielleicht bis dahin der einzige Mensch gewesen war, der es ganz selbstlos wirklich gut mit ihr gemeint hatte, der ihr einfach geholfen hatte, ohne etwas zu verlangen. Nun aber begann sie sich zu fragen, ob sie sich nicht vielleicht die ganze Zeit über etwas vorgemacht hatte. All das hier war noch immer ein Teil ihres Lebens, und vielleicht ein größerer, als sie sich selbst hatte eingestehen wollen.
    Vielleicht hätte sie noch länger dagestanden und dem Jungen zugesehen, der mit missmutigem Gesicht sein Fass über den sandigen Boden trat und immer öfter ärgerliche Blicke in ihre Richtung warf, hätte sie nicht plötzlich wieder das Gefühl gehabt, angestarrt zu werden. Hier in diesem Lager war das eigentlich nichts Außergewöhnliches. Obwohl das Heer Tausende und Abertausende zählte, stellte der weiße Mantel eines Tempelritters doch noch immer etwas ganz Besonderes dar, das ganz natürlich neugierige Blicke auf sich zog, zumal wenn er von einem Ritter getragen wurde, der kaum dem Knabenalter entwachsen zu sein schien. Dieses Gefühl aber war anders. Unangenehm.
    Robin drehte sich um und stellte ohne Überraschung zweierlei fest: Sie hatte sich nicht getäuscht, und es war kein Fremder, der sie beobachtete.
    »Du musst nicht dort drüben im Schatten stehen und mich anstarren, Rother«, sagte sie kopfschüttelnd. »Komm ruhig her zu mir. Vielleicht entgeht dir sonst am Ende noch ein verräterisches Wimpernzucken oder ein sündiger Blick, von dem du Dariusz berichten kannst.«
    Einen Moment lang geschah nichts. Der junge Tempelritter blieb einfach weiter reglos im Schatten eines großen, nur nachlässig aufgebauten Zeltes stehen, das ein wenig windschief wirkte, und obwohl Robin in dem rasch nachlassenden Licht sein Gesicht nicht erkennen konnte, kam er ihr in diesem Moment vor wie ein Kind, das sich bei einer Missetat ertappt fühlte und einfach die Augen schloss und hoffte, nicht gesehen zu werden, solange es die anderen nicht bemerkten. Der Gedanke erschien ihr absurd, zauberte aber schon im nächsten Moment ein flüchtiges Lächeln auf ihre Lippen, als ihr klar wurde, dass sie sich an eine Begebenheit aus ihrer eigenen Jugend erinnerte. Sie selbst war es gewesen, die im Spiel das Gemüsebeet einer Nachbarin zertrampelt und ganz genau so reagiert hatte.
    Rother gab sein albernes Verhalten schließlich auf und kam mit langsamen Schritten auf sie zu. Sein Blick streifte den Knappen mit dem Fass, und er schürzte kurz und fast verächtlich die Lippen. Ganz offensichtlich hielt er nicht viel von solcherlei

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