Die Rückkehr der Templerin
werden ihn vergessen. Er wird ebenso spurlos wieder verschwinden, wie er aufgetaucht ist. Für immer.«
Robin wollte auffahren, doch Salim brachte sie abermals und mit einer diesmal eindeutig ärgerlichen Geste zum Verstummen.
»Es ist vorbei, Robin. B ruder Robin ist tot. Er ist gestorben, gerade jetzt, in diesem Moment.«
Natürlich hatte er Recht, dachte Robin. Seit sich Dariusz’ und ihre Wege wieder gekreuzt hatten, hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht, als dass dieser Albtraum endlich ein Ende haben würde, als dass sie wieder an Salims Seite, in den Schutz seiner starken Arme und die Sicherheit und das angenehme Leben in seiner Bergfestung Masyaf zurückkehren könnte. Und doch … warum erfüllte sie der Gedanke, einfach davonzulaufen, mit einer so sonderbaren Bitterkeit?
»Morgen zu dieser Stunde«, fuhr Salim fort und machte eine ausholende Bewegung mit der Hand, die die Hälfte des Lagers jenseits der Zeltplanen einschloss, »wird die Hälfte dieser Männer dort draußen tot sein und die andere Hälfte verwundet. Zu welcher Hälfte möchtest du gehören?«
»Ich habe einen Eid geschworen«, sagte Robin, ohne seine Frage damit direkt zu beantworten. Was hätte sie auch sagen sollen?
»Nein, das hast du nicht«, antwortete Salim heftig. »Bruder Robin hat diesen Eid geschworen. Aber damit ist es jetzt aus. Ich habe diesen Unsinn lange genug geduldet, doch jetzt ist es genug.«
»Unsinn?«, fragte Robin. »Was genau meinst du mit Unsinn?«
»Deine Ritterspielchen«, erwiderte Salim. Seine Stimme wurde keinen Deut lauter, aber merklich schärfer. Von einem Atemzug auf den anderen war aus dem berauschenden Moment ihres Wiedersehens etwas geworden, das Robin fast Angst machte. Es schien dunkler im Zelt zu werden. Und kälter.
»Spielchen«, wiederholte sie. »War es das, was ich die ganze Zeit für dich war? Ein Spielzeug?«
Blanke Wut blitzte in seinen Augen auf, aber er beherrschte sich. Nicht einmal seine Stimme wurde lauter. »Nein«, behauptete er, obwohl Robin in seinen Augen las, wie nahe sie der Wahrheit - zumindest in einem gewissen Sinne - damit gekommen war. Ein bitterer Geschmack war mit einem Mal in ihrem Mund.
»Nicht du. Aber das, was du tust. Ich habe dich bisher gewähren lassen, weil ich weiß, wie viel dir dieser alberne Wappenrock und ein Schwert bedeuten. Und ich weiß, wie gut du mit einer Waffe umzugehen verstehst. Besser als so mancher Mann, den ich kenne. Die Hälfte meiner Assassinen wäre dir nicht gewachsen. Aber in dieser irrsinnigen Schlacht, in die euer König euch heute führt, zählen ein Kettenhemd und ein gutes Schwert nicht viel. Viele Männer werden heute sterben, Männer, die stärker sind als du, tapferer und ebenso geübt mit ihren Waffen. Es ist eine Sache, deine Klinge in einen freundschaftlichen Kampf mit mir zu kreuzen oder auch einem einzelnen Mann in einem fairen Duell gegenüberzutreten, aber eine ganz andere, sich zehntausender Lanzenreiter gegenüberzusehen oder einem Hagel von Pfeilen. Selbst ich wäre ganz und gar nicht sicher, die Schlacht zu überleben oder auch nur ohne schwere Verwundungen davonzukommen. Ich werde nicht zulassen, dass du dein Leben wegen eines albernen Schwurs riskierst.«
Er schüttelte noch einmal und noch heftiger den Kopf. Seine Stimme wurde eine Spur lauter. »Ich bin hergekommen, um dich zu holen, und ganz genau das werde ich jetzt tun. Wir werden dieses Lager und diesen Landstrich verlassen und nach Masyaf zurückkehren, und es wird keinen Bruder Robin mehr geben.«
Es fiel Robin immer schwerer, sich zu beherrschen. Natürlich hatte er Recht, mit jedem Wort, das er gesagt hatte. Und dennoch erfüllte sie der bloße Gedanke, einfach davonzulaufen, mit einem Gefühl von Scham, das fast körperlich wehtat. Hatten sie die Jahre, die sie mit Bruder Abbé verbracht hatte, so verändert? Obwohl sie das Leben bei den Templern - zumindest bis zu ihrer Ankunft in diesem Land - geliebt hatte und obwohl sie frühzeitig hatte lernen müssen, sich ihrer Haut zu wehren und ihr Leben auch mit der Waffe in der Hand zu verteidigen, blieb sie doch eine Frau, die das Töten hasste und Gewalt und Kampf aus tiefstem Herzen verabscheute; gerade weil sie so oft erlebt hatte, welch unendliches Leid und wie viele bittere Tränen und tiefen Schmerz ein beiläufig erteilter Befehl, eine unbedachte Bewegung oder eine bloße taktische Entscheidung verursachen konnten. Vielleicht, dachte sie, hatte Salim ja gerade eine Wahrheit
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