Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Rückkehr der Zehnten

Titel: Die Rückkehr der Zehnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
hergestellt. Lis kam sich seltsam vor, als sie sah, mit welcher Andacht Tona die Gegenstände vorbereitete, mit Ölen einrieb und sie behutsam mit einem Tuch polierte, als seien es wirklich geweihte Dinge, während sie, Lis, wusste, dass sie nur der Fantasie ihres Bruders entsprangen, eines Zehntklässers, der zu viele Computergames gespielt und zu viele Fantasy-Romane gelesen hatte. Aber vielleicht war ein Körnchen Wahrheit in dem, was Levin sagte, und sie waren dabei, ein Spiel zu spielen, in dem sie ihre Aufgabe zu erfüllen hatten. Was würde der Gewinn sein? Die Rückkehr in ihre Zeit, zu ihrer eigenen Geschichte?
    Der Marktplatz war leer, umso bedrohlicher ragte der dunkle Turm in den Morgenhimmel. Nur ein verschmierter Aschefleck auf dem Boden zeugte noch von dem Todesurteil, das vor wenigen Tagen über die Kuriere verhängt worden war. Levin und Lis zögerten nicht, sondern wandten sich nach links. Gegenüber vom Palast befand sich ein spiegelgleiches, wenn auch etwas kleineres Gebäude – das Haus der Priester. Wie beim Palast so waren auch hier die Flügeltüren aus massivem Holz. Lis kamen sie vor wie eine unüberwindbare Barriere, aber Levin stellte sich direkt davor hin und klopfte mit Swantewits Kopf, so laut es ging, dagegen. Lange Zeit hörten sie nichts, dann öffnete sich in der großen Tür ein kleines, quadratisches Fenster. Ein Junge mit geschorenem Haar und der schwarzen Rußmaske der Priester schaute heraus.
    Levin trat einen Schritt zurück, damit der Türwächter ihn besser sehen konnte, dann deutete er eine knappe Verbeugung an. »Ich grüße die Diener von Poskur, dem Großen, dem Grausamen. Ich bin Karjan, Hohepriester Swantewits des Viergesichtigen.«
    Der junge Priester runzelte die Stirn. Lis bemühte sich ein möglichst harmloses und unterwürfiges Gesicht zu machen, obwohl der Türwächter ihr auf den ersten Blick unsympathisch war. Der Blick, mit dem er sie musterte, gefiel ihr nicht. Er sah sie an, als wäre sie etwas, das er sonst nur am Boden klebend kannte. Schließlich riss sich der Priester von ihrem Anblick los und schenkte seine ganze Arroganz Levin. »Du redest seltsam«, sagte er. »Es scheint mir, du kommst nicht von hier.«
    »Aus dem fernen Arkona kommen wir. Viele Tage waren wir unterwegs. Alles, was ich für mich und meine Dienerin erbitte, ist ein Lager in geweihten Hallen.«
    Immer noch musterte sie der junge Mann aus dämonischen Augen, dann klappte das Fensterchen zu. Sie hörten das Zurückschnappen eines Riegels und endlich öffnete sich der linke Flügel des Tores.
    »Ich entscheide nicht, ob ihr bleiben könnt«, sagte der Priester. »Du musst selbst bei Niam um ein Gespräch bitten. Und ich bezweifle, dass deine Dienerin…«, er betonte das Wort auf eine, wie Lis fand, unverschämte Art und Weise, »… bei uns unterkommen wird. Dies ist ein geweihtes Haus.«
    Levin lächelte verbindlich. »Es wird sich finden«, sagte er. »Gerne werde ich Niam fragen, ob er einem Priester Swantewits ein Lager für die Nacht gewährt.«
    »Dann kommt mit«, sagte der Priester und trat zur Seite, damit sie den Innenhof betreten konnten. Wie sie es vereinbart hatten, ging Lis zwei Schritte hinter Levin und hielt den Kopf gesenkt. Sie überquerten den sonnendurchfluteten Innenhof, dessen helle und dunkle Bodenplatten das Mosaik eines Sonnensymbols bildeten. Sie waren so sauber, als wären sie mit Wasser gewaschen und dann mit Tüchern trockengerieben worden. In der Mitte des Innenhofs erhob sich ein hölzerner Pavillon mit spitz zulaufenden Türen, in dem eine geschmückte Statue Poskurs stand. Sein flammengefletschtes Maul grinste ihnen entgegen. An der hinteren Seite des Gebäudes befand sich eine schlichte Holztür, an die der unsympathische Bote klopfte. Lange Zeit regte sich nichts, dann erklang von innen ein Geräusch wie Glöckchengeklimper. Ein alter Diener, der einen Gürtelschmuck aus Bronzemünzen trug, öffnete die Tür.
    »Ah, wieder einmal der Lernende Tschur«, brummte er. »Was gibt es denn diesmal so früh?«
    Zu Lis’ Überraschung verbeugte sich der Türwächter tief und ehrfürchtig und deutete auf Levin. »Der Hohepriester Swantewits wünscht Niam zu sprechen. Er ist ein reisender Gast.«
    Mit heimlicher Schadenfreude stellte Lis fest, wie unterwürfig und höflich Tschurs Stimme plötzlich klang. Du bist also nichts als ein Priester-Azubi und ein Schleimer dazu, dachte sie. Tschur bemerkte ihr schnelles Grinsen und kniff die Lippen zusammen.
    Bevor der

Weitere Kostenlose Bücher