Die Rückkehr des Astronauten
ihn. Er ließ seine Hände über ihren Rücken gleiten. Er dachte nach, wie verrückt sie wohl war. Hatten die Strauchritter auf der Burg ihr wirklich den Kopf so verdreht? Oder wollte sie bloß alle zum Narren halten? Sie hatte doch sicherlich einiges erlebt. Sie mußte wissen, worum es ging. Neben ihm nahm sich Jack the Ripper wie ein kleiner Gauner aus.
Seine Zukunft konnte nach Stunden gemessen werden, dachte er. Seine Zukunft war so gut wie abgelaufen.
Sie fragte: »Hast du je eine andere Frau geliebt?«
»Zum Teufel, nein.«
»Bist du sicher?«
»Ganz und gar.«
»Kann ich mich darauf verlassen?«
»Ich tische dir doch keine Lügen auf, Kind.«
»Ach, du bist so lieb, wirklich.«
Die Schatten schmolzen jetzt dahin. Durch die Fenster blickte grauer Himmel herein. Vielleicht würde es Regen geben, dachte er hoffnungsvoll.
Zum Teufel, er sollte das Leben genießen, solange es noch ging. Vielleicht sollte er zu den Leuten in der Burg gehen, damit die ihn einsperrten, wenn die Zeit reif war.
Oder vielleicht konnten sie auch auf ihn aufpassen und ihn beim ersten Anzeichen von Ärger mit Neuros flachlegen. Sie würden ihn Tag und Nacht bewachen müssen. Das ging nicht.
Er war wieder dort, wo er angefangen hatte. Er war nicht zum ersten Mal an diesem Punkt. Er hatte es die letzten paar Jahre immer wieder versucht und wußte, wohin der Weg führte.
»Woran denkst du?« fragte Carol.
»An dich.«
»Was denkst du über mich?«
»Ich dachte über dein rotes Haar nach.«
»Ja, mach weiter.«
»Nun, es ist sehr rot.«
»Das hast du gedacht?«
»Ja, ja.«
»Ist das gut?«
»Prächtig.«
»Na gut. Es ist wirklich sehr rot. Es ist eine Verantwortung, wenn man vom Schicksal so begünstigt wird.«
»Du trägst sie richtig.«
Hinter ihnen rührte sich etwas. Er drehte sich um.
Mom stand in der Schlafzimmertür.
Cramer brachte ein Lächeln zustande. Etwas anderes war kaum zu tun.
Carol wandte den Kopf und sah ihre Mutter aus leeren Augen an.
Die Frau lehnte am Türstock. Sie hatte einen blauen Morgenmantel an. Sie schien nach Luft zu ringen. Ihr Gesicht war weiß. Ihre Augen waren starr.
Cramer rief sich ins Gedächtnis, daß er sich in einem zivilisierten Sektor befand. Sex wurde von niemand mißbilligt, oder? Die Leute konsumierten ihn wie Kaffee. Das alte Mädchen hatte wahrscheinlich Magenschmerzen.
Mom legte beide Hände ans Gesicht und machte den Mund auf. Sie schrie.
Ein recht schlimmes Magenweh, dachte Cramer traurig.
Mom begann sich die Haare zu raufen. Ihre Finger rissen große Strähnen aus. Cramer sah so etwas zum ersten Mal. Er sah fasziniert zu.
Sie schwankte vor und zurück und schlug ihren Kopf ab und zu gegen die Plastikwand. Ein erstaunlicher Anblick.
»Macht sie das öfter?« fragte Cramer.
»Nur, wenn ich mit einem Mann zusammen bin«, sagte das Mädchen. »Deshalb mußte ich von zu Hause weg. Ich glaube, du gehst jetzt lieber.«
»Ich glaube, du hast recht.«
Er sprang auf und begann rasch seine Sachen anzuziehen.
»Beeil dich doch«, drängte ihn Carol.
Mom schrie aus Leibeskräften. Die Töne, die sie ausstieß, waren kaum artikuliert, ihre Bedeutung war jedoch deutlich genug.
»Kannst du sie nicht dazu bringen, aufzuhören?« fragte er und machte sich an seinem Gürtel zu schaffen.
»Nein, das kann niemand. Nicht, wenn sie in diesem Zustand ist.«
»Wie wär’s mit einer Ohrfeige?«
»Ach, Cramer!«
»Okay, ich bin schon unterwegs! Und was denken sich eigentlich eure Nachbarn bei dem Lärm?«
»Ach, es ist schrecklich. Die haben sich inzwischen daran gewöhnt.«
Cramer zwinkerte ihr zu und fragte: »Seit wann bist du von zu Hause weg?«
»Nicht sehr lange. Ich besuche sie manchmal. In der Burg ist man wirklich nie allein.«
»Du besuchst sie?« sagte Cramer.
Mom sprang jetzt auf und ab, und die Töne, die sie von sich gab, ließen an eine Affenherde denken, die sich im Jodeln versuchte.
»Sie hält es nicht mehr lange aus«, schrie Carol.
»Ich auch nicht.« Cramer rannte zur Tür.
»Heute abend, an derselben Stelle«, rief Carol.
»Genau!«
»Die Gier! Die Gier! Die teuflische Gier!« Mom fing an, Worte zu gebrauchen.
Ganz genau, dachte Cramer. Das alte Mädchen sagt, wie es ist. Er warf die Tür hinter sich zu und rannte durch den Flur.
25.
Irgend etwas schien ihn zu warnen.
Nicht den Fahrstuhl benutzen.
Tu’s nicht.
Erste Morgendämmerung. Er stand allein auf dem Gang. Türen und Wände mußten recht solide sein. Das Schreien war
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