Die Rückkehr Des Bösen
konnte. Normalerweise konnte man sich Tylers Schweigen erkaufen. Er musste bloß herausfinden, was für einen Blödsinn die Nervensäge gerade mal wieder vorhatte.
Er hockte sich vor seinen Computer und überlegte, ob er einfach so im Internet rumsurfen sollte. Das Spiel hatte er jetzt schon nicht mehr mitgemacht, seit ... seit der Sache mit O’Sullivan am Flughafen. Wie viele Tage war das her? Gibson startete seinen Rechner, und während er daraufwartete, dass das Betriebssystem hochfuhr, schnappte er sich seinen Rucksack vom Teppich und wühlte sich durch den Inhalt. Irgendwo musste doch noch ein Müsli- oder ein Schokoriegel stecken! Bingo! Seine Finger spürten das Verpackungspapier, und während er das Ding herausfingerte, sah er das Blitzen unten in der Monitorecke, das signalisierte, dass er neue Mails bekommen hatte.
Timmy und er hatten ihre E-Mail-Adressen ausgetauscht. Der Kleine fragte sich wahrscheinlich, wieso Gibson am Nachmittag nicht auf ihn gewartet hatte. Gibson öffnete seine Mailbox, und tatsächlich – zwei Nachrichten von Timmy, eine mit der Betreffzeile „Was ist los mit dir?“.
Und eine vom „SinEater“. Gibson spürte, wie sich ihm schlagartig der Magen zusammenzog. In der Betreffzeile stand „Vorsicht!!!“. Hastig klickte er die Mail an.
SOLANGE DU DIE LEDERMAPPE HAST, BIST DU IN SICHERHEIT KEINE ANGST! ICH LASSE NICHT ZU, DASS DIR EINER WAS TUT!
Er hörte, wie es unten an der Haustür klingelte, scherte sich aber nicht darum. Seine Mom war ja noch nicht zum Abendkurs gegangen.
Die Ledermappe! Mann, woher wusste der „SinEater“ bloß davon? Gibson sprang von seinem Computer auf und kramte das Ding aus seinem Kleiderschrank hervor. Als er die Tasche gestern gefunden und festgestellt hatte, dass sie dem Monsignore gehörte, hatte er den Inhalt nicht weiter inspiziert. Er hätte sich doch gleich denken können, dass die etwas Wichtiges enthielt, irgendwas, das mit der Sache am Flughafen zusammenhing. Daher wusste der Sündenfresser also, dass er am Flughafen war! Na klar, der war selbst dort gewesen! Hatte er dann auch mitgekriegt, wer ihm die Mappe in den Rucksack gestopft hatte? Oder war er’s sogar selbst gewesen? Wenn das O’Sullivans Mappe war und der „SinEater“ ihm die abgenommen hatte – hatte der dann wohl auch den Mord gesehen?
Plötzlich meinte Gibson, das Herz bliebe ihm stehen. Er ließ sich auf die Bettkante sinken. Das Spiel! Er hatte der Figur doch selbst den Namen von Monsignore O’Sullivan gegeben, der Figur, die vernichtet werden sollte! Den Regeln nach erfuhr den Namen nur der „SinEater“. War das alles tatsächlich nur reiner Zufall?
Jetzt hörte er, wie seine Mutter ihn von unten aus rief. Sollte er sich einfach taub stellen? Nee, besser nicht, sonst würde sie vielleicht noch hoch kommen.
Gibsonraffte sich von der Bettkante auf und öffne seine Zimmertür einen Spalt. „Was ist denn?“
„Komm mal eben runter, Schatz! Hier ist jemand, der möchte dich sprechen.“
Timmy vielleicht?
„Augenblick! Ichmuss erst noch was abspeichern.“ Deutlich hörbar schloss er die Tür, um sie sogleich ganz leise wieder zu öffnen, sodass er auf Zehenspitzen in den Flur tappen und nach unten spähen konnte. Verdammt, warum redete seine Mutter so leise! „Da müssen Sie sich irren, Bruder Sebastian“, der Rest versickerte im Treppenhaus, aber Gibson war, als hätte er das Wort „Drogen“ gehört.
Jetzt erkannte er auch, wer dieser „Bruder Sebastian“ war, mit dem sie da unten sprach. Er stand zwar mit dem Rücken zur Treppe, doch Gibson war sich trotzdem sicher, dass es dieser Darth Vader war!
Er schlich zurück, schloss leise die Tür hinter sich ab und ließ den Blick wie gehetzt durchs Zimmer zucken. Nichts wie weg hier! Er fuhr den Laptop herunter, zog die Stecker ab, wickelte das Netzkabel um das Gerät und packte alles in seinen Rucksack. Dann riss er die Schachtel ab, die er mit Klebeband hinter dem Kopfteil seines Bettes befestigt hatte, zog die darin versteckten, zusammengefalteten Geldscheine heraus und ließ sie in die Seitentasche wandern. Zum Schluss stopfte er auch noch die Ledertasche hinein.
Als er das Schiebefenster öffnete, spürte er sofort den Schwall stickiger Abendluft, der ihm warm ins Gesicht wehte. Vorsichtig sah er sich nach links und rechts um, ob sich auch niemand auf dem Bürgersteig herumtrieb. Die Sonne ging gerade hinter den Bäumen unter, aber an einem schwülen Abend wie diesem schien zum Glück niemand Lust
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