Die Rückkehr Des Bösen
auf einen Spaziergang zu haben.
Schon seit einem Jahr hatte er diesen Weg nicht mehr benutzt, bei dem man bis aufs Flachdach der Veranda herunterrutschen musste, um sich von dort auf den Rasen fallen zu lassen. Den Schleichweg hatte er gar nicht nötig gehabt, denn seine Mom war ja kaum zu Hause. Hoffentlich sah ihn keiner, wenn er sich vom Verandadach runterließ und dann durch die nach hinten heraus gehende Gasse verschwand. Aber Mist, das Fahrrad, das musste er dalassen. Das stand auf der Veranda vor dem Haus.
Er schlang sich den Rucksack über und zurrte die Gurte ordentlich fest, sodass er straff auf dem Rücken saß. Dass ihm womöglich der Laptop kaputtging, durfte er nicht riskieren. Wohin er aber nun abhauen und was dann kommen sollte, war Gibson ein völliges Rätsel. In seinem Kopf herrschte völliges Chaos, er konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Ein letztes Mal ließ er den Blick durch sein Zimmer schweifen, den einzigen Ort, an dem er sich geborgen gefühlt hatte. Dann stieg er durch das Fenster nach draußen.
65. KAPITEL
Omaha, Nebraska
Als Tommy Pakula zur Hintertür hereinkam, traf er auf seine Frau, die gerade an der Küchenspüle stand. Ehe er die beiden Pizzaschachteln irgendwo abstellte, blieb er hinter ihr stehen und küsste sie auf den Nacken.
„Du schmeckst gut“, nuschelte er. „Vielleicht brauchen wir gar keine Pizza.“
„Die Mädchen haben Hunger.“ Sie drehte sich um und sah ihn an, doch in ihrem Lächeln lag ein trauriger Zug. Irgendetwas war.
„Was ist?“
Sie legte ihm den Zeigefinger über die Lippen. „Angie ist ziemlich fertig“, flüsterte sie fast und schielte dabei über den Tresen, der die Küche vom Esszimmer abtrennte.
„Was ist passiert?“
„Sie hat heute einen Brief vom Creighton College gekriegt. Wird sie dir sicher zeigen. Aber erst wird gegessen, hm? Dann soll sie dir alles selbst erzählen. Dräng sie nicht!“
„Was denn für einen Brief?“ Doch im selben Moment beschlich ihn eine Ahnung, und er spürte den Klumpen im Magen.
„Sie haben ihr Stipendium widerrufen. Wegen fehlender Mittel. Sei ihnen jetzt erst aufgefallen.“
„Fehlende Mittel? So ein Blödsinn!“
„Tommy!“ Sie legte den Finger auf ihre Lippen. Pakula gehorchte dem Wink und senkte die Stimme, wenngleich er seine Wut nur schwer beherrschen konnte.
„Du weißt doch, was Sache ist!“
„Das lässt sich noch gar nicht endgültig sagen.“
Das Dudeln seines Mobiltelefons unterbrach das Gespräch. Am liebsten hätte er sich das Ding vom Gürtel gerissen und quer durch die Küche gepfeffert, aber er wartete auf einen Anruf von Chief Ramsey.
„Ich muss das erst entgegennehmen“, knurrte er, worauf sie nickte und die Pizzaschachteln ins Esszimmer trug, wo bereits der Tisch gedeckt war. „Pakula?“ grunzte er ins Handy.
Ramsey kam ohne jedes Vorgeplänkel zur Sache. „In einer Stunde habe ich ein Gespräch mit Cunningham. Irgend ‘ne Idee, was dieser Vater Keller uns andrehen will?“
„Er sagte, er hätte die Liste mit den Namen der Priester, die umgelegt werden sollen. Anscheinend hat er noch was in petto, das uns auf die Spur des Killers bringen könnte. Das will er O’Dell aber erst verraten, wenn der Deal in trockenen Tüchern und er selbst wieder hier in den Staaten ist.“
„Und sie glaubt, er meint es ehrlich?“
„Sie glaubt, er hat keine andere Wahl. Er steht nämlich ebenfalls auf der Liste.“
Während Ramsey das verdaute, sah Pakula seiner Frau zu, wie sie die Gläser mit Eistee füllte. Sie hatte etwas an sich, das eine beruhigende Wirkung auf ihn ausübte.
„Da ist die Kacke ja ganz schön am Brodeln“, meldete sich der Chief schließlich zurück. „Heute hat meine Frau erfahren, dass ihre Beihilfe für die Krankenhausbehandlung gestrichen wurde. Sie hält das zwar für Zufall, aber ich glaub das beim besten Willen nicht.“
Pakula war, als hätte man ihm ein Brett vor den Kopf geschlagen. Er wandte Cläre den Rücken zu und ging in die Küche, um so weit wie möglich außer Hörweite zu sein. „Meiner Tochter haben sie gerade das Stipendium abgesagt.“
„Himmel!“ Erst nach einer Weile brach der Chief das Schweigen. „Tja, wir waren ja beide drauf eingestellt.“
„Allerdings.“ Pakula sparte sich den Hinweis, er hätte es im Leben nicht für möglich gehalten, dass dieses Arschloch von Erzbischof so etwas durchziehen würde. Zumindest nicht so schnell. „Aber wenn seine Eminenz erfährt, was ich heute Nachmittag erfahren habe,
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