Die Rückkehr Des Bösen
war damals noch verheiratet, von ihrer Arbeit regelrecht besessen und zudem so naiv – oder besser gesagt arglos –, dass sie es in der Regel gar nicht registrierte, wenn jemand ihr Avancen machte, ganz gleich, ob es Männer oder Frauen waren. Viel geändert hatte sich seitdem kaum, dachte sie manchmal. Von der Erfahrung ihrer Ehe einmal abgesehen, hielt sie sich nach wie vor für ziemlich arglos.
„Und keine Angst, Maggie, es gibt bestimmt keine über dem Bunsenbrenner erhitzte Gemüsesuppe!“
Er sah sie an, als wolle er sich vergewissern, ob sie sich erinnerte. Oder war es ein Flirtversuch? Sie hatte nicht zum ersten Mal das Gefühl, er könne Gedanken lesen. Maggie konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Natürlich erinnerte sie sich! Bei ihrem letzten Besuch in seinem Labor rührte er sich gerade ein Süppchen an, direkt neben einem Topf mit brodelndem Wasser, in dem Menschenknochen lagen. Als er dann auch noch mit einem Löffel kostete, hätte sie beinahe einen Anfall gekriegt. Da wusste sie noch nicht, dass in dem zweiten Topf keine menschlichen Überreste köchelten, sondern sein Mittagsimbiss.
Bonzado legte den Kopf behutsam ab, zog eine kleine Stablampe aus der Hosentasche und beugte sich vor, um in die inneren Hohlräume zu leuchten. Überall auf den Tischen und in den Regalen um sie herum stapelten sich Kartons voller Gebein. Manche der Knochen waren mit Etiketten versehen, andere warteten wohl noch darauf – vielleicht für immer –, zugeordnet zu werden. Ein Sonnenstrahl fiel durch das Doppelfenster und tauchte den Raum in ein orangefarbenes Licht. Während Maggie beobachtete wie Bonzado in dieser bizarren Szenerie mit dem Schädel hantierte, musste sie unwillkürlich an Shakespeares Hamlet denken.
„Der Kopf, den wir am Freitag gefunden haben, ist in einem eindeutig besseren Zustand“, sagte Racine, wobei Maggie den Eindruck hatte, dass sie mit ihrer Bemerkung wohl einfach nur das Schweigen brechen wollte. „Na ja, wenn man von den Maden absieht, natürlich. Menschenskinder, so viele von diesen Mistviechern habe ich schon lange nicht mehr gesehen!“
„Bei dieser Hitze geht das ratzfatz mit den Biestern“, bestätigte Bonzado.“ Wo wurde dieser denn gefunden? Auch am Wasser?“
„Ist das Opfer A oder Opfer B?“ fragte Racine und suchte nach dem Anhänger, den Stan Wenhoff an den Plastikbeuteln befestigt hatte. Ohne das Kärtchen waren die beiden Schädel kaum zu unterscheiden.
„Opfer A“, stellte sie schließlich fest, und hielt wie als Beweis den Anhänger in die Luft. „Aufgefunden im Rock Creek Park. Ein Waldstück gleich unterhalb einer Joggingpiste. Eine Frau, die ihren Hund ausführte, hat ihn entdeckt.“
„Dafür, dass er im Wald gelegen hat, sieht er gar nicht mal so übel aus“, bemerkte Bonzado.
Racine konsultierte den Bericht in ihrem Aktenhefter. „Er war mit Laub und Erde bedeckt.“
„Eine Frau hat ihn gefunden, sagen Sie?“ Maggie konnte sich nicht erinnern, etwas darüber in der Ermittlungsakte gelesen zu haben. „Hat sie Sie zum Fundort geführt?“
„Nein, die hat sich nicht mal blicken lassen, um ein Protokoll zu unterschreiben. Hat nur den Notruf angerufen und ihren Fund gemeldet.“
„Und einen Namen gibt es auch nicht?“
„Fehlanzeige.“ Racine sah von der Akte auf, und ihre Blicke trafen sich.
Maggie erkannte, dass sie offenbar denselben Gedanken hegten: Konnte es sich womöglich um dieselbe Anruferin handeln, die sie am Freitag auch zum Ufer des Potomac gelotst hatte?
„Was ist mit dem anderen Kopf? Hat da auch eine Frau angerufen?“
Racine zog eine zweite Akte hervor und begann zu blättern.
„Opfer B wurde an einer Parkhausbaustelle gefunden Nein...
der Polier, ein Mr. Bradford Zahn, hat die Polizei verständigt.“ Sie zuckte die Schultern und sah Maggie an. „Das wär’s dann wohl mit unserer Theorie.“
Bonzado schien ihr Gespräch nicht zu verfolgen und hatte sich inzwischen an die Untersuchung der Stelle gemacht, an der der Kopf vom Rumpf abgetrennt worden war. „Was er benutzt hat, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Scheint aber so, als hätte er mehr gehackt als gesägt.“
„Gehackt und abgerissen“, betonte Maggie. „Der Hals des letzten Opfers wies ähnliche Verletzungen auf.“
„Erinnert mich an einen Fall, den ich vor einigen Monaten hatte.“ Bonzado schien ihre Äußerung gar nicht gehört zu haben. „Ein rechtes Bein, schon ziemlich zersetzt. Hatte jemand aus dem Connecticut River gefischt. Die
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