Die Rückkehr Des Bösen
gebracht. Ich habe die erste Stunde hospitiert. Wahrscheinlich treibt Christine sich im Erdgeschoss herum und geigt dem Typen in O’Sullivans Büro ordentlich die Meinung.“
Tony hob den Blick, schüttelte aber bloß den Kopf und griff nach einem Kaffeebecher. Nick wartete ab, bis er einen Schluck genommen hatte, wohl wissend, dass es sich nicht um Kaffee handelte, sondern um einen Schokodrink. Tony trank den stets aus einer Kaffeetasse, weil er befürchtete, er würde sich lächerlich machen, wenn sich seine heimliche Vorliebe herumspräche. Nick hatte sich schon gefragt, ob die katholische Kirche einen Priester, der ein Milchmixgetränk bevorzugte, tatsächlich weniger ernst nahm als einen, der Kaffee trank.
„Christine soll sich lieber vorsehen“, sagte Tony, anstatt zu erklären, warum der Privatsekretär des Erzbischofs in den Sachen des Monsignore herumsuchte.
„Und wieso?“
Tony zuckte die Achseln und nippte abermals an seinem Becher. „Im Augenblick liegen bei allen die Nerven blank. Der Erzbischof wird bestimmt nicht begeistert sein, wenn die Medien hier herumschnüffeln.“
„Aber so einen Komiker herzuschicken, das macht ihm nichts aus, wie?“
Das entlockte Tony ein Schmunzeln. „Bruder Sebastian sieht tatsächlich ein wenig seltsam aus, was?“
„Allerdings, nur auf eine Art, dass man das Gruseln kriegen kann. Was ist das überhaupt für einer?“
„Persönlicher Referent von Erzbischof Armstrong. Seine rechte Hand.“
„Und seine Arbeitsplatzbeschreibung schließt auch mit ein, dass er im Dienstzimmer eines verstorbenen Amtsbruders herumkramen darf?“
Wieder erntete Nick ein Schulterzucken. „Vermutlich tut Bruder Sebastian nur, was der Erzbischof von ihm verlangt.“
Nick lehnte sich rücklings an den Türpfosten. Allzu beunruhigt kam ihm Tony nicht vor. Vermutlich hatte Christine mal wieder maßlos übertrieben. Natürlich musste jemand die Hinterlassenschaft von O’Sullivan durchchecken und sein Büro ausräumen. Er dachte an sein eigenes Dienstzimmer in Boston. Was würde man wohl alles finden, wenn man es entrümpelte? Das von Tony war ein wenig aufgeräumter, wenn auch nicht viel. Stapel von Illustrierten türmten sich in der hinteren Ecke. Auf zwei Regalen des Bücherschranks quetschten sich Bücher und Computerspiele, die Bücher größtenteils englische Literatur, Lyrik und Shakespeare. Bei den Spielen hingegen schien es offenbar um Krieger und Kreuzfahrer zu gehen. Eine Pinwand war über und über behängt mit allen möglichen Schnipseln, von Stundenplänen und Telefonnummern bis hin zu Eintrittskarten für Footballspiele, Wäschereibons und Speisekarten von Imbissstuben. Neben dem Schreibtisch lagen ein Paar dreckiger Laufschuhe und ein Sportbeutel, aus dessen halb offenem Reißverschluss ein schmutziges Handtuch quoll. Nick hatte ganz vergessen, was für kleine Füße sein Freund hatte. Die Treter sahen aus wie Tennisschuhe für Kinder.
Nick ließ sich in den Ohrensessel fallen, den Tony in einer Ecke stehen hatte, und musterte seinen Freund. „Christine ist offenbar der Ansicht, es käme dem Erzbischof durchaus gelegen, wenn O’Sullivan ein paar Geheimnisse mit ins Grab nähme. Keine Sorge, ich weiß, dass es Dinge gibt, über du nicht sprechen darfst.“
Tony stieß einen tiefen Seufzer aus, lehnte sich zurück und sah Nick an. Die Arme über der Brust verschränkt, blieb er wortlos so sitzen, als warte er erst einmal ab, was Nick denn wohl über die Sache wisse.
Okay, das Spiel beherrsche ich auch! Nick räusperte sich. „Ich wusste nicht mal, dass der Monsignore schwul war.“
„Was? Von wem hast du das denn?“
„Von niemandem. Aber wenn er sich an kleine Jungs herangemacht hat...“
„Pädophile und Homosexualität sind nicht dasselbe, Nick.“ Tony schüttelte den Kopf, als könne er nicht fassen, dass er das überhaupt erklären musste.
„Aber ich dachte, das sei die Lehre, die die Kirche aus dem ganzen Schlamassel gezogen hat. Dass sie ihr Personal besser überprüft.“
„Naja, es wäre nicht das erste Mal, dass man Ergebnisse von Wissenschaft und Forschung ignoriert. Ich nehme an, du hast in Boston noch nicht mit Fällen zu tun gehabt, bei denen es um Pädophilie ging. Sonst würdest du das ja wissen.“
„Ich hatte bislang Glück. Seit ich von Nebraska weg bin, hatte ich keinen Fall von Kindesmissbrauch. Wie kommt’s, dass du auf einmal so gut über Pädophilie Bescheid weißt?“
„Ich habe einige Opfer betreut. Während meiner Zeit
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