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Die Rueckkehr des Daemons

Die Rueckkehr des Daemons

Titel: Die Rueckkehr des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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Cheeseburger . Ein Greis mit schlaffer brauner Haut und einem affigen gelben Strohhut auf dem Kopf. »Burger!«, brüllte er. »Burger!«
    Birger Jacobsen drang dieser Ruf bis ins Mark. Kalter Schweiß brach ihm aus allen Poren.
    Er war wieder ein Schuljunge in Oslo. Atemlos sprang er nach Unterrichtsschluss aus der Tür der Lakkegata skole und hetzte die Lakkegata hinunter. Seinen schäbigen Parka hatte er in der Eile falsch herum angezogen. Die Kapuze baumelte zwischen seinen Beinen. Jetzt hatten auch die drei Jungen aus seiner Klasse das Schultor erreicht. Mit lautem Gelächter jagten sie ihm durch die Straßen von Ostkant nach, dem heruntergekommensten Teil der Stadt, damals, in der Zeit vor dem großen Ölboom. »Burger, Burger!«, johlten sie ihm hinterher, Hackfleischgesicht, wegen seiner tiefen Narben, die er den Pocken zu verdanken hatte.
    Verzweifelt drehte sich Birger um. Wie Bluthunde hatten sich die Kerle an seine Fersen geheftet. Mit jedem Schritt kamen sie ihrem Opfer näher.
    Jungen wie Birger, klein, schmächtig und hässlich, hatten es überall schwer. Hier aber, in Grünerløkka, im miesen Arbeiterviertel östlich des Flusses Akerselva, wo man die Hafengerüche nicht mehr aus der Kleidung bekam, herrschte das Faustrecht. Jeder wollte die Prügel vergessen, die alkoholisierte Väter austeilen. Wollte den Geschmack von lutefisk loswerden, dem in Salzlauge eingelegten Kabeljau, der in den ärmeren Häusern jeden Tag auf dem Tisch stand. Und den Geruch von Schnaps und Erbrochenem, den die Eltern absonderten, wenn sie morgens auf ihren schimmeligen Matratzen einem neuen Tag entgegenschnauften. Frust ließ sich schon immer am besten bekämpfen, wenn man ihn an andere, noch Schwächere weitergab. Einen wie Birger.
    Hechelnd bemerkte Birger, dass ihn seine Peiniger fast eingeholt hatten. Ihr rasselnder Atem schlug ihm schon in den Nacken. Tränen schossen ihm in die Augen. Warum war er nur so unsportlich?
    Teilnahmslos drückten sich die Passanten an die Häusermauern, um die Meute vorbeizulassen. Sie hatten ihre eigenen Probleme. Wie die Miete zahlen? Wie die Kartoffeln, wie das øl , das man so dringend brauchte, um mittags die Augen aufzukriegen?
    Birger rannte auf den Eingang der St. Hallvard Kirke zu. Zwischen den Bänken der modernen Kirche war er einer saftigen Abreibung schon häufiger entkommen. Der Küster hatte Angst um seine schönen neuen Teppiche, nicht etwa Mitleid mit einem hässlichen kleinen Jungen.
    Nur noch dreißig Meter trennten ihn vom rettenden Portal, nur noch zwanzig. Zarte Hoffnung keimte in ihm auf. Er würde es schaffen!
    Dann kam der Fehltritt. Mit dem rechten Bein holte er zu weit aus. Statt zwei Schritte hatte er einen machen wollen. Sein Fuß verhedderte sich in der Kapuze. Birger stolperte vorwärts, ruderte mit den Armen, versuchte verzweifelt, das Gleichgewicht wiederzufinden. Der Länge nach schlug er aufs Pflaster, mit seinem zerfurchten Gesicht.
    Sofort waren die Jungen über ihm. Kalle, der Riese mit den von Karies zerfressenen Zähnen, riss ihm den Ranzen unter dem Körper weg. Unter dem Gejohle seiner Gefolgsleute landete er im Brunnen.
    »Burger, Burger!« Alle drei begannen auf ihn einzutreten. Immer wieder stießen ihre Schuhspitzen in seine Rippen. Nach den ersten Tritten nahm Birger gottergeben die Arme von seinem Körper. Schützen konnten sie ihn gegen dieses Trommelfeuer sowieso nicht. Hilfe suchend starrte er zum heiligen Hallvard, dem Schutzpatron von Oslo empor, der unantastbar auf seiner Säule mitten im Brunnen stand. Mit ausgebreiteten Armen hielt er drei Pfeile von sich, in der anderen Hand einen Mühlstein, vor ihm liegend eine Frau. Birger liebte die Legende.
    An einem Maitag im Jahre 1043 war die Frau von drei Männern verfolgt worden, genau wie er. Als sie Hallvard sah, fiel sie vor ihm auf die Knie. »Rudere mich über den Drammensfjord!«, jammerte sie. »Ich bin des Diebstahls bezichtigt!« Hallvard sah, dass sie unschuldig war, und als die Verfolger sein Boot erreichten, weigerte er sich, die Sklavin auszuliefern. Jeder der Männer schoss ihm einen Pfeil in den Hals, dann erschlugen sie die Frau. Als sie aber Hallvard mit einem Mühlstein beschwert in den Fjord warfen, da ging er nicht unter, und sie wussten, dass er ein Heiliger war.
    Durch einen wässrigen Schleier hindurch richtete Birger den Blick zu ihm auf. »Rudere mich über den Drammensfjord!«, quetschte er hervor. Aber St. Hallvard stellte sich nicht schützend vor ihn. Er schickte

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