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Die Rueckkehr des Daemons

Die Rueckkehr des Daemons

Titel: Die Rueckkehr des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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den Gang in ein gespenstisches Licht tauchten. Eine feierliche Stimmung ging von ihnen aus – und schüchterte neue Besucher gehörig ein. Kälte kroch ihnen entgegen.
    Ruppig schob Birger Jacobsen den sichtlich erstaunten Mendoza vorwärts. Dem Liftboy zischte er noch die passende Formel ins Ohr, dann schloss er hinter ihnen die geheime Öffnung des Fahrstuhls.
    Birger Jacobsen drängte sich an dem Argentinier vorbei. Mit sicheren Schritten ging er voraus. Unverwundbarkeit ausstrahlend. Schon nach wenigen Metern erreichte er die hölzerne Wendeltreppe, die weit in die Tiefe führte. Mendoza zögerte, sie hinabzugehen.
    »Sie müssen mir folgen«, erklärte Birger Jacobsen lakonisch. »Oder sterben. Ab jetzt gibt es kein Zurück, amigo !«
    Raúl Mendoza wischte sich nervös mit einem weißen Taschentuch über seine riesige Nase. Im flackernden Licht der Flammen huschten schmale Schatten über sein Gesicht. »Was haben Sie zu dem Mann gesagt?«, traute er sich zu fragen.
    Birger Jacobsen antwortete gern. Es gab nicht oft eine Gelegenheit, über den Kult mit jemandem zu reden, der nicht eingeweiht war. Ein paar Dinge sollte Mendoza wissen, musste er wissen, das erwartete man von ihm. Während sie die knarrenden Stufen abwärtsstiegen, gab er das Geheimnis mit gewählten Worten preis.
    »Jo-Seth bedeutet ›Esel des Seth‹. Schon die ersten Generationen des Kults benutzten dieses Tier als Hilfsmittel bei der Anrufung von Seth. Damals, während der letzten Eiszeit, als Ägypten noch keine Wüste war.«
    Mit einem kurzen Blick zurück versicherte er sich, dass seine Worte ihre Wirkung bei Mendoza nicht verfehlten. Der Argentinier fuchtelte sich so wild mit seinem Taschentuch im Gesicht herum, als wollte er die Haut herunterwischen.
    »Um einen Feind zu lähmen, klemmten sich die Mysten den abgetrennten Kopf eines Esels zwischen die Füße. Während sie sich mit seinem frischen Blut salbten, beschworen sie Jo-Seth, Seths Esel, in langen Zaubersprüchen.«
    »Und…«, stammelte Mendoza atemlos. »Hat es… funktioniert?«
    Birger Jacobsen antwortete mit eisigem Schweigen.
    Nur ihre Schritte waren jetzt zu hören. Dumpf hallten sie von den gekalkten Wänden wider. Sie bewegten sich in einem Vakuum von Zeit und Raum. Mehr als die nächsten drei Stufen waren nicht zu sehen, alle fünfzehn Stufen kam ein kleines Plateau. Über ihnen nichts, unter ihnen Leere.
    »Erstaunlich!«, murmelte Mendoza, noch immer von den Auswirkungen der Formel beeindruckt. »Kann ich das ab morgen auch?«
    Sein Mentor zwang sich zur Ruhe. Die bissige Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag, schluckte er herunter.
    »Nein, amigo «, antwortete er wortkarg. Entnervt begann er seine Erklärungen von vorne. »Die Mysten sind den fünf Kammern von Setepenseths Herz folgend in fünf Weihegrade eingeteilt. Man beginnt als Welpe, der zweite Grad ist der des Schreibers. Über diese Stufe kommt die Großzahl der Sterblichen nicht hinaus. An dritter Stelle steht der neb , die altägyptische Bezeichnung für Herr. Ihm folgen die Wesire, immer nur drei an der Zahl. An oberster Stelle steht der Seth-Seher, auch Rüde genannt. Er ist das Alpha-Tier, der Hohepriester, die Person, bei der alle Fäden zusammenlaufen.«
    Auf dem nächsten Absatz blieb Birger Jacobsen kurz stehen, bis er den schnaufenden Atem des Argentiniers wieder im Nacken spürte. »Durch besondere Taten zum Wohl des Kultes ist es jedem Mysten gegeben, in der Hierarchie aufzusteigen. Abhängig vom Rang werden sie von den Wesiren oder vom Seth-Seher selbst mit immer größeren Geheimnissen und Zauberformeln vertraut gemacht. Das bedeutet Macht über die niederen Grade, aber auch Verlässlichkeit und Sicherheit in unserem Kampf da draußen.«
    Erschöpft blieb Birger Jacobsen auf der letzten Stufe stehen. Nicht gewöhnt, so lange zu reden, fühlte er sich ausgepresst wie ein alter Schwamm. Er war eindeutig ein Mann der Tat, nicht des Wortes.
    Sie waren angekommen. Vierzig Meter, zweihundertvierzig Stufen unter der Stadt. Kein Hupen war mehr zu hören, nicht die sanfteste Vibration des Subway zu spüren. Eine perfekte Unterwelt. Das hier gehörte nicht zu New York, es war Ägypten, eine Zeitreise 15.00 0 Jahre zurück.
    Das schien auch Mendoza zu spüren. Hatte er eben noch aufmerksam an seinen Lippen geklebt, so wirkte der kleine Mann jetzt wie abwesend.
    Der ebenerdige Gang war nun viel höher, weiter, großzügiger. Zur Decke hin lief er spitz zu, die Wände im exakten Winkel der Cheopspyramide

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