Die Rückkehr des Drachen
Schankwirts -deshalb war sie sicher, daß es eine Schenke sein mußte. Es war aber kein Laut zu hören, und alle Türen zum Gang waren geschlossen. Als sie sich gerade fragte, wer wohl hinter der einfachen Holztür vor ihrer Nase hause, öffnete sie sich lautlos.
Das Zimmer dahinter war kahl. Kalter Wind seufzte in den offenen Fenstern und wirbelte die Asche auf dem Herd hoch. Ein großer Hund lag zusammengerollt auf dem Boden, den zerzausten Schwanz über die Schnauze gelegt. Er lag zwischen der Tür und einem dicken, roh behauenen Pfeiler aus schwarzem Stein in der Zimmermitte. Ein hochgewachsener junger Mann mit zerzaustem Haar saß in Unterwäsche vor der Säule und hatte sich daran gelehnt. Sein Kopf hing wie im Schlaf zur Seite. Eine massive, schwarze Kette spannte sich um den Pfeiler und um seine Brust. Er hatte ihre Enden in seinen Fäusten. Ob er nun schlief oder nicht: Seine mächtigen Muskeln waren angespannt, um die Kette straff zu halten und sich selbst an den Pfeiler zu fesseln.
»Perrin?« fragte sie staunend. Sie trat in das Zimmer. »Perrin, was ist denn los mit dir? Perrin!« Der Hund rührte sich und stand auf. Es war kein Hund, sondern ein Wolf, ganz schwarz und grau. Er zog die Lefzen hoch und zeigte schimmernde, weiße Zähne. Gelbe Augen betrachteten sie, als sei sie eine Maus. Eine Maus, die er fressen wollte.
Egwene trat unwillkürlich ganz schnell in den Gang zurück. »Perrin! Wach auf! Ein Wolf ist da!« Verin hatte behauptet, was hier geschehe, sei Wirklichkeit, und sie hatte zum Beweis ihre Narbe gezeigt. Die Zähne des Wolfs sahen so groß wie Messer aus.
»Perrin, wach auf! Sag ihm, daß ich ein Freund bin!« Sie berührte Saidar. Der Wolf schlich näher heran.
Perrins Kopf fuhr hoch, und seine Augen öffneten sich schläfrig. Nun wurde sie von zwei gelben Augenpaaren beobachtet. Der Körper des Wolfs straffte sich. »Springer«, rief Perrin, »nein! Egwene!«
Die Tür knallte vor ihrer Nase zu, und sie befand sich in totaler Dunkelheit.
Sie konnte nichts sehen, doch sie fühlte, wie auf ihrer Stirn Schweißtropfen standen. Und die rührten nicht von Hitze her. Licht, wo bin ich? Mir gefällt es hier nicht. Ich will aufwachen!
Ein Zirpen erklang, und Egwene fuhr erschrocken zusammen. Dann wurde ihr klar, daß die Ursache eine Grille war. Ein Frosch quakte laut in der Dunkelheit, und ein ganzer Chor antwortete ihm. Als sich ihre Augen langsam eingewöhnt hatten, konnte sie schattenhaft Bäume um sich herum erkennen. Wolken verdeckten die Sterne, und der Mond war nur eine hauchfeine Sichel.
Zu ihrer Rechten konnte sie zwischen den Bäumen ein flackerndes Glühen erkennen - ein Lagerfeuer.
Sie überlegte einen Moment lang, bevor sie sich in Bewegung setzte. Der bloße Wille, aufzuwachen, hatte nicht gereicht, um sie von Tel'aran'rhiod wegzuholen, aber etwas Nützliches hatte sie auch noch nicht herausgefunden. Allerdings hatte sie auch noch keinerlei Verletzung erlitten. Bis jetzt, dachte sie schaudernd. Aber sie hatte keine Ahnung, wer - oder was - dort am Lagerfeuer saß. Es könnte ein Myrddraal sein. Außerdem bin ich nicht gerade passend für den Wald angezogen. Dieser letzte Gedanke gab den Ausschlag. Sie war stolz darauf, daß sie selbst merkte, wenn sie sich dumm anstellte.
Sie atmete tief durch, raffte ihren Rock hoch und schlich näher heran. Sie hatte vielleicht nicht Nynaeves Geschick darin, doch sie war schlau genug, nicht auf herumliegende Äste zu treten. Schließlich spähte sie vorsichtig hinter dem Stamm einer alten Eiche hervor auf das Lagerfeuer.
Dort saß nur ein hochgewachsener junger Mann und starrte in die Flammen. Rand. Diese Flammen wurden nicht von Holz genährt. Es brannte dort überhaupt nichts Sichtbares. Das Feuer tanzte über einem Fleck kahlen Bodens. Sie glaubte nicht, daß es die darunterliegende Erde versengen würde.
Bevor sie sich auch nur rühren konnte, hob Rand den Kopf. Sie war überrascht, zu sehen, daß er Pfeife rauchte. Ein dünner Rauchfaden erhob sich aus dem Pfeifenkopf. Er wirkte müde, sehr müde.
»Wer ist dort?« fragte er laut. »Ihr habt genug mit Blättern geraschelt, um Tote aufzuwecken, also könnt Ihr genausogut herauskommen und Euch zeigen!«
Egwene preßte die Lippen zusammen, aber sie trat aus ihrer Deckung hervor. Habe ich nicht! »Ich bin es, Rand. Hab keine Angst. Es ist ein Traum. Ich muß mich in deinen Träumen befinden.«
Er war so plötzlich auf den Beinen, daß sie wie erstarrt stehenblieb. Irgendwie
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