Die Rückkehr des Dunkelelf 1 - Die Invasion der Orks
jedes Mal, wenn er auf einem losen Stein ausrutschte, öffnete der Ruck seine neueste Wunde abermals, und wieder floss frisches Blut über seine Seite. Dennoch, Tred beschwerte sich nicht, und er bat Nikwillig auch nicht, langsamer zu gehen. Es sah aus, als hätte ihr Gegenangriff die Verfolger tatsächlich abgeschreckt, denn nun trug der Nachtwind nur noch selten Wolfsgeheul zu ihnen, und es kam stets aus weiter Ferne.
Als Tred und Nikwillig über eine Anhöhe marschierten und tief unten ein Dorf sahen – nicht mehr als ein paar Häuser –, schauten sie einander besorgt an.
»Wenn wir da runtergehen, bringen wir eine Horde von Orks und Wölfchen mit«, sagte Tred.
»Und wenn wir es nicht tun, wirst du langsamer und langsamer werden«, erwiderte Nikwillig. »Wir werden es nicht so schnell nach Mithril-Halle schaffen, falls wir überhaupt dorthin finden können.«
»Glaubst du, die da wissen, wie man kämpft?«, fragte Tred mit einem weiteren Blick auf das Dorf.
»Sie leben hier in den wilden Bergen, oder?«
Das war eine einfache und zutreffende Antwort, daher zuckte Tred nur die Achseln und folgte Nikwillig den Hügel hinunter. Eine mannshohe Steinmauer umgab die paar Häuser, aber erst, als die beiden näher herankamen, bemerkten sie die Wachen. Der Mann und die Frau, die schließlich über die Mauer schauten, schienen allerdings keine offiziellen Wachen zu sein; es sah eher so aus, als wären sie gerade zufällig vorbeigekommen und hätten die Zwerge bemerkt.
»Was ist denn mit euch los?«, rief die Frau.
»Ich glaube, wir fallen gleich um«, antwortete Nikwillig. Er schob Tred ein Stück vor, um seine Worte zu unterstreichen. »Habt ihr ein warmes Bett und ein bisschen heißen Eintopf für meinen verletzten Verwandten hier?«
Als hätte er all seine Energie ins Marschieren gesteckt und als gestattete sein störrischer Geist seinem Körper nun endlich, sich auszuruhen, sackte Tred zusammen. Nikwillig ließ ihn so sanft wie möglich auf den Boden sinken.
Auf dieser Seite des Dorfs gab es kein Tor, aber die Frau und der Mann kletterten einfach über die Mauer und eilten auf die Zwerge zu. Die beiden machten sich daran, den verletzten Zwerg zu untersuchen, aber sie spähten auch über die Besucher hinweg, als erwarteten sie eine Armee von Feinden, die die verwundeten Kämpfer verfolgten.
»Kommt ihr aus Mithril-Halle?«, fragte der Mann.
»Felbarr«, antwortete Nikwillig. »Wir waren auf dem Weg nach Senkendorf, als man uns überfallen hat.«
»Senkendorf?«, wiederholte die Frau. »Das ist weit von hier.«
»Sie haben uns weit gejagt.«
»Wer hat euch überfallen? Orks?«, fragte der Mann.
»Orks und Riesen.«
»Riesen? Hab hier schon lange keine Riesen mehr gesehen.«
»Keine Hügelriesen. Blauhäutige Hunde. Sehen hübsch aus und schlagen bösartig zu. Frostriesen.«
Sowohl der Mann als auch die Frau sahen ihn besorgt an. Die Bewohner dieser Gegend hatten schon einigen Ärger mit Frostriesen gehabt, obwohl die Vorstöße der Ungeheuer zum Glück nicht besonders zahlreich gewesen waren. Dennoch, jeder Kampf, in den Frostriesen – vielleicht die furchterregendsten Feinde in dieser Region, wenn man von den sehr seltenen Drachen einmal absah – verwickelt waren, war einen Bericht wert und wurde schnell zu Legenden und Albträumen.
»Bringen wir ihn nach drinnen«, bot die Frau an. »Er braucht ein Bett und warmes Essen. Ich kann kaum glauben, dass er noch lebt!«
»Pah, Tred ist viel zu hässlich zum Sterben«, erklärte Nikwillig.
Tred öffnete ein müdes Auge und hob langsam die Hand zum Gesicht seines Freundes, als wollte er ihn dankbar tätscheln.
Als Nikwillig nahe genug war, schob Tred den Zeigefinger unter den Daumen und schnippte seinem Freund fest gegen die Nase. Nikwillig fiel rückwärts und fasste sich an seinen Zinken, und Tred ließ sich wieder zurücksinken und schloss die Augen. Ein dünnes Lächeln breitete sich auf seinem blutverkrusteten, bleichen Gesicht aus.
Die Leute aus dem kleinen Dorf Hackenschlag verstärkten ihre Wachen um ein Vielfaches, so dass ein Drittel der zweihundert Grenzlandbewohner in Achtstundenschichten als Wachposten und Späher arbeitete. Nachdem er sich zwei Tage lang erholt hatte, schloss Nikwillig sich ihnen an und konnte sogar dabei helfen, die Verteidigungsanlagen zu verstärken.
Tred jedoch war nicht in der Lage mitzumachen. Der Zwerg schlief die ganze erste Nacht und den darauf folgenden Tag. Selbst nach mehreren Tagen wachte er immer nur
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