Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
der Straße rollte. Seit dem Moment, als er ihr auf den Sitz geholfen hatte, versuchte Kathryn, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Sie hatten immer noch eine gute halbe Stunde, bis sie vor der Kirche ankämen, und sie hatte sich so sehr darauf gefreut, sich wieder mit ihm zu unterhalten. Jacobs Antworten waren zwar freundlich, aber zurückhaltend. Sie hatte zweimal bemerkt, dass er sie angeschaut hatte, seit sie von Casaroja losgefahren waren. Aus einem unerklärlichen Grund machte ihr das Hoffnung.
Kathryn drehte leicht den Kopf und versuchte zu erraten, in welcher Stimmung er war. Leider war die rechte Seite von Jacobs Gesicht stärker beschädigt als die linke, und jede Anspannung in seinem Kinn oder jede Bewegung mit dem Mund, die seine Gefühle hätte verraten können, war unter Narben versteckt.
Trotz der Hitze trug Jacob wie gewohnt ein langärmeliges Hemd und eine lose sitzende Arbeitshose sowie eine Strickmütze, die seine Ohren fast vollständig bedeckte. Er hatte seine Koteletten wachsen lassen, zweifellos um seine Narben zu verstecken, und sah nun ganz anders aus als damals, als sie ihn zum ersten Mal in der Stadt gesehen hatte. Anscheinend hatte er in den letzten Wochen ein wenig zugenommen, denn seine Hemden hingen bei Weitem nicht mehr so lose an ihm. Auch während er schweigend neben ihr saß, strahlte Jacob eine Sanftheit aus, die sie zu ihm hinzog, und Kathryn wünschte, sie könnte ihn wieder lachen hören.
Plötzlich räusperte sich Jacob und rückte seine Brille zurecht. Sie blickte zur Seite, da sie ihn nicht zu lange anstarren wollte. Er reagierte empfindlich, wenn Leute ihn anstarrten, und genau das hatte sie soeben getan, aber nicht aus dem Grund, den er vielleicht vermutete.
„Danke, dass Sie mich heute Morgen zur Kirche begleiten.“ Nach einer Weile unternahm sie einen erneuten Versuch. „Es ist schade, dass Gabe nicht mitkommen konnte.“
Jacob trieb die zwei braunen Stuten zu einem schnelleren Trab an. „Ich hatte ihn, genau wie ich Ihnen versprochen habe, gefragt. Er wollte mitkommen, aber heute Morgen hat er sich entschuldigt, weil der Boss Arbeit für ihn hat.“
Kathryn hörte eine gewisse Verteidigungshaltung aus seiner Stimme heraus. „Ich wollte damit nicht andeuten, dass Sie ihn nicht gefragt hätten, Jacob. Mir ist es recht, dass wir zu zweit fahren. Ehrlich. Ich habe mich auf Ihre Gesellschaft gefreut.“
Er sagte nichts.
Während sie darauf wartete, dass er ihr antwortete, erblickte Kathryn einen Pfosten ungefähr dreißig Meter vor sich am Straßenrand und nahm sich vor, wenn Jacob nichts gesagt hätte, bis sie den Pfosten erreichten, würde sie ihn fragen, warum er so einsilbig war.
Sie fuhren an dem Pfosten vorbei, und Kathryn überlegte, ob sie ihn wirklich darauf ansprechen sollte. Sie setzte sich ein wenig aufrechter hin und nahm ihren ganzen Mut zusammen.
„Jacob …“
„Mrs Jennings …“
Sie drehten sich beide zueinander um und lachten nervös.
„Bitte, Jacob, Sie zuerst.“
Er richtete seinen Blick nach vorne und seine Daumen rieben über das abgenutzte Leder der Zügel in seinen Händen. „Sie können natürlich sagen, dass mich das nichts angeht, Madam, und Sie hätten damit vollkommen recht, aber ich habe über etwas nachgedacht, das die Carlsons bei unserem Picknick erwähnten.“
„Und was war das?“
„Der Pfarrer hat gesagt, dass Sie vor Kurzem einen schweren Verlust verkraften mussten.“
Er drehte sich um und blickte sie an. Aus der Haltung seines Kopfes schloss Kathryn, dass er nicht nur ihre Augen anschaute. Sonderbarerweise störte sie das nicht, denn sie fand an seinem Blick nichts Unanständiges. Außerdem hatte sie erst vor wenigen Minuten sein Gesicht ebenfalls genauer betrachtet. Die Strahlen der Morgensonne trafen direkt auf seine Brille, und für einen Moment sah sie die schwachen Umrisse seiner Augen.
Er blickte wieder nach vorne. „Ich frage mich einfach, welcher Art Ihr Verlust war. Natürlich kann ich aus den Kleidern, die Sie tragen, einiges erraten.“
Kathryn schaute auf ihr Kleid hinab und legte dann eine Hand auf ihren Bauch. Diese Wende des Gesprächs hatte sie nicht erwartet. „Waren Sie schon immer so direkt, Jacob?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein, Madam. Ich muss das irgendwo im Laufe meines Lebens gelernt haben.“
Kathryn glaubte, ein Lächeln um seine Mundwinkel zu entdecken. Das Kirchengebäude tauchte in ihrem Blickfeld auf, und sie fragte sich, wie viel sie ihm in der kurzen Zeit, die ihnen
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