Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
aufzustehen und wegzulaufen. Ihre Augen wanderten von einem Gesicht zum anderen, während verschwommene Bilder davon, was diese Frauen taten – was sie waren – ihr den Magen umdrehten. Der Geruch nach Eiern und Schinken war plötzlich abstoßend.
Was in aller Welt hatte sich Gabe nur gedacht? Er hatte ihr nicht ein Zimmer in einer Pension besorgt. Er hatte sie in ein Freudenhaus gebracht!
Kapitel 11
I saiah begleitete Larson am ersten Tag seiner Reise und erklärte, dass er sichergehen wolle, dass Larson den Weg durch den geheimen Bergpass, der zu ihrem abgelegenen Tal führte, finden würde. Larson verriet ihm nicht, dass er den Weg schon kannte. Instinktiv. Er war damit aufgewachsen, die Position der Sonne zu lesen, und kannte die Gipfel der Rocky Mountains wie seine Westentasche. Noch kein einziges Mal hatte er sich in diesem Land verirrt. Niemals.
Isaiah bewegte sich mit überraschender Wendigkeit über das felsige Gelände, und obwohl er absichtlich langsam ging, hatte Larson Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Kurz vor Mittag blieb Larson stehen, stützte sich schwer auf seinen Stock und ruhte sich einen Moment aus, bevor er den steilen Anstieg vor sich in Angriff nahm. Die kühle Bergluft fühlte sich gut auf seiner Brust an, aber er schien immer noch nicht genug Sauerstoff einatmen zu können, um seine Lunge zufriedenzustellen.
Während er Isaiah vor sich betrachtete, fragte er sich erneut, wie dieser Mann ihn zu der Hütte zurückgebracht hatte, nachdem er ihn in dem ausgebrannten Schuppen gefunden hatte. Am Abend nutzte er die Gelegenheit, ihn das zu fragen.
Isaiah wurde bei der Frage still und lächelte auf eine Weise, die verriet, dass er eigentlich nicht darüber sprechen wollte.
„Du bist ein starker Mann, Isaiah. Das gebe ich gern zu. Aber ich bin kein Winzling“, bohrte Larson weiter und wich ein gutes Stück von dem Feuer zurück, das Isaiah angezündet hatte. „Wenigstens war ich früher keiner.“
Isaiah lachte. Dann wurde er still.
„Im Ernst, wie hast du mich den weiten Weg getragen?“, fragte Larson wieder.
Isaiah stand auf, sammelte Holz und legte es aufs Feuer. Helle Funken schossen zum dunklen Nachthimmel hinauf. Das Knistern, als die Flammen das Holz verzehrten, jagte Larson eine Gänsehaut über den Rücken. Er war für das Licht des Feuers dankbar und genoss seine Wärme, solange er mit den Flammen nicht in Berührung kam.
Isaiah ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Ein wehmütiger Blick trat in seine Augen. „Ein gutes altes Mädchen namens Mabel hat dich getragen.“
Larson lachte. „Mabel, ja? Sie muss aber eine sehr starke Frau sein.“ Isaiah lachte mit ihm. Dann sah Larson ihn genauer an und seine Belustigung verschwand. „Was wurde aus ihr?“
Isaiah stocherte mit einem langen Ast im Feuer. „Ich habe von einem Mann gehört, der ein gutes Maultier gesucht hat. Deshalb habe ich sie vor einer Weile verkauft … in einem kleinen Bergwerkslager nicht weit hinter diesem Kamm.“ Er schürzte die Lippen, als überlege er, was er als Nächstes sagen sollte.
Larson starrte den früheren Sklaven an, der ihm am Feuer gegenübersaß. Die Worte, die sich in seinem Kopf bildeten, waren weniger eine Frage als vielmehr eine Feststellung. „Du hast sie verkauft, um das erstehen zu können, was du für meine Pflege brauchtest.“
Isaiah zuckte mit seiner breiten Schulter und starrte in die Flammen.
Larson schmeckte das Salz seiner Tränen, bevor ihm überhaupt bewusst wurde, dass er geweint hatte. Kannte die Großzügigkeit dieses Mannes denn gar kein Ende? Er wischte die Tränen schnell weg, wusste aber, dass Isaiah sie gesehen hatte.
„Für Tränen muss man sich nicht schämen, Larson. Und schon gar nicht für Tränen der Dankbarkeit. Ich habe so viele in meinem Leben vergossen, dass ich sie nicht mehr zählen kann. Ich hatte anfangs Angst, vor Abby zu weinen, aber von ihr habe ich gelernt, dass jeder Mensch verletzt wurde und Wunden mit sich herumträgt. Einige Narben sind einfach leichter zu sehen als andere.“ Isaiahs dunkle Augen schienen sich auf etwas hinter Larson zu konzentrieren, auf eine längst vergangene Erinnerung. „Die äußeren Narben entscheiden nicht, was aus einem Mann wird. Aber die inneren Narben können einen Mann davon abhalten, das Leben zu führen, das Gott für ihn geplant hat.“
Bis tief in die Nacht hinein lag Larson wach und dachte darüber nach, was Isaiah gesagt hatte. Und als Isaiah am nächsten Morgen eine Hand auf seine Schulter
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