Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
haben ihren Lohn bekommen. Das bedeutet immer, dass das Geschäft gut läuft. Ab drei Uhr oder so wird es ruhiger; dann schlafen die Mädchen immer bis gegen Mittag. Hoffentlich bekommst du auch etwas Schlaf.“ Sie wandte sich zum Gehen.
„Annabelle?“
Sie blieb in der Tür stehen, und Kathryn sah ihre Silhouette im warmen, gelben Licht.
„Ich weiß nicht, wo ich wäre, wenn du mir nicht geholfen hättest. Danke.“
Annabelle nickte kurz, dann schloss sie geräuschlos die Tür.
Kathryn lag bis tief in die Nacht wach und versuchte, das raue Gelächter und das gelegentliche hohe Kreischen auszublenden. Stattdessen beschwor sie die Erinnerung herauf, die sie an Larson hatte. Es gab so viele gute Dinge, die sie vergessen und durch ihren egoistischen Wunsch nach mehr überdeckt hatte. Ihrem Wunsch nach mehr von Larson, mehr vom Leben. Einige Erinnerungen brachten sie zum Weinen, andere entlockten ihr ein Lächeln. Aber eines überragte alles andere: ihre Schuldgefühle, weil sie das, was ihr geschenkt worden war, nicht geschätzt hatte.
Sie würde alles dafür geben, wenn sie die Uhr zurückdrehen und jeden Moment der vergangenen Jahre mit Larson – sowohl die guten als auch die weniger guten – noch einmal erleben könnte.
Kapitel 12
K athryn beschleunigte ihre Schritte und warf einen Blick hinter sich auf die Uhr am Gebäude der Willow Springs Bank. Sie hatte noch zehn Minuten, bis sie zu ihrer nächsten Arbeit musste. Ihre Hände taten weh, weil sie den ganzen Vormittag in der Herrenschneiderei genäht hatte, und ihre Nackenmuskulatur war verspannt und schmerzte. Kathryn hob die Hand, massierte die verkrampfte Stelle und rief sich ins Gedächtnis, dass sie trotz der Müdigkeit und der langen Arbeitszeit dankbar sein konnte. In der letzten Woche hatte sie nicht nur eine Arbeitsstelle gefunden, sondern sogar zwei, und dazu einen sicheren Platz, wo sie wohnen konnte. Wenigstens für die nächste Zeit.
Die Glocke, die über dem Eingang zu Myrtles Restaurant hing, klingelte, als sie eintrat, und wie schon öfter in den letzten Tagen wanderten ihre Gedanken zu Matthew Taylor. Sie fragte sich, wie es ihm wohl gehen mochte, während sie aus ihrem Mantel schlüpfte und die Wassertropfen, die an der Wolle hingen, abschüttelte. Als sie ihren Mantel aufgehängt und sich eine Schürze locker um ihren runder werdenden Bauch gebunden hatte, hielt sie plötzlich inne. Ihr Zustand wäre bald für alle sichtbar. Trotzdem hatte sie irgendwie das Gefühl, es sei richtig, es jetzt noch für sich zu behalten. Sie wollte, dass Larson der Erste wäre, der …
Die Glocke über der Tür klingelte. Ohne sich umzudrehen, sagte sie: „Das Mittagessen wird in ungefähr einer Stunde serviert. Das Tagesmenü heute ist gebratenes Hähnchen und Kartoffelbrei. Können Sie dann wieder kommen?“
„Na ja, das kommt darauf an, wer heute kocht … Sie oder Miss Myrtle.“
Kathryn drehte sich um, als sie die Stimme erkannte. Er stand im Türrahmen und sein gewohntes Lächeln ließ seine Augen sanft erscheinen. Matthew Taylor nahm seinen Hut ab und schlug ihn gegen seinen Oberschenkel um die Regentropfen abzuschütteln.
„Mr Taylor.“ Die Freude in ihrer eigenen Stimme überraschte sie, genauso wie die Wärme, die sie bei seinem Anblick fühlte.
Er durchquerte den Raum. „Ich wollte fragen, wie es Ihnen geht … Mrs Jennings.“
„Mir geht es gut.“ Als sie den Eifer in seinen Augen sah, beschloss sie schnell, ihm nicht zu verraten, dass sie sich das auch gerade in Bezug auf ihn gefragt hatte. „Hat Jake Sampson im Stall Ihnen …“
„Er hat mir Ihre Nachricht übermittelt. Ja, Madam. Und auch das Geld. Aber ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, dass ich es nicht richtig finde, Ihr Geld zu nehmen. Ich habe nicht das Gefühl, richtig an Ihnen gehandelt zu haben.“ Er sah auf den Hut in seinen Händen hinab und seine Stimme wurde leiser. „Oder an Ihrem Mann.“
Die Aufrichtigkeit in seinem Tonfall und der ernste Blick in seinen Augen ließen Kathryns Herz höher schlagen. So ein guter Mann. „Mr Taylor, Sie haben alles in Ihrer Macht Stehende getan, um mir zu helfen, die Ranch zu behalten.“ Sie schluckte, weil sich ihre Kehle zusammenschnürte. „Und Sie haben auch an meinem Mann richtig gehandelt. Daran dürfen Sie nie zweifeln. Sie sind ein ehrbarer Mann, und ich schätze Ihre Freundschaft.“
Er sah sie lange an. Ein Muskel arbeitete an seinem Kinn, und er sah aus, als wiege er seine Worte genau ab. „Ja, Madam“,
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