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Die Rückkehr des Fremden (German Edition)

Die Rückkehr des Fremden (German Edition)

Titel: Die Rückkehr des Fremden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Alexander
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Umstände, unter denen sie jetzt lebte. Sie hatte kurz davor gestanden, ihm zu erzählen, wo sie heute Nacht schlief, hatte es sich dann aber anders überlegt. Es war wahrscheinlich besser, ihn nicht allzu sehr zu schockieren.
    Kathryn rollte sich eng zusammen und versuchte, sich gegen die Kälte und die Einsamkeit abzuschirmen, die sie in der Dunkelheit fast erdrückten. Das schmerzhafte Ziehen in ihrem Magen erinnerte sie daran, dass sie das Abendessen vergessen hatte, aber ihr Hunger störte sie weitaus weniger als die Geräusche, die ihr verrieten, was um sie herum und über ihr im ersten Stock geschah.
    Ein Bild schoss ihr durch den Kopf, und ihr Herz sehnte sich erneut nach Larson. War er noch am Leben? Seit Weihnachten war schon so viel Zeit vergangen. Obwohl sie sich oft darüber Gedanken gemacht hatte, hatte sie nie ganz begreifen können, was er in seiner Kindheit durchgemacht haben musste. Selbst ihre schlimmsten Vorstellungen konnten der brutalen Wirklichkeit seines Lebens nicht gerecht werden. Wie konnte ein Mensch einen kleinen Jungen so behandeln?
    Kathryn stockte der Atem, als in der Küche gleich hinter ihrer Tür Schritte zu hören waren. Ein Lichtschein fiel durch den Spalt unter der Tür.
    „Kathryn?“
    Ihr Herzschlag verlangsamte sich wieder. „Annabelle?“
    Die Tür ging einen Spaltbreit auf. Annabelles Schultern waren nackt, und Kathryn fragte sich, ob sie unter dem dünnen Tuch, das sie um ihre Brust gebunden hatte, überhaupt etwas trug. Das Material ihres Rockes lud das Auge ebenfalls ein, dort zu verweilen. Diese Frau hatte bestimmt nicht absichtlich einen solchen Weg für ihr Leben gewählt. Was hatte sie dazu getrieben? Kathryn zog die Decke enger um sich und fragte sich wieder, warum Gabe sie hierhergebracht hatte.
    „Ich habe nur ein paar Minuten Zeit, bis der nächste Kunde kommt, aber ich wollte mich vergewissern, dass du gut zurückgekommen bist und dass dich niemand belästigt hat, als du hereinkamst.“
    Eine unerwartete Besorgnis machte Annabelles Stimme weicher. Das gab Kathryn das Gefühl, nicht so alleine zu sein. „Nein, niemand hat mich belästigt. Mir ist nichts passiert.“
    „Ich wollte nur fragen, denn ich habe Conahan vor einer Weile nach hinten gehen sehen. Er ist ein unangenehmer Typ. Einfach gemein und fies, wenn du mich fragst.“ Annabelle verzog das Gesicht. „Normalerweise verlangt er nach Ginny, und das ist uns anderen ganz recht. Und, hast du heute eine Arbeit gefunden?“
    Kathryn staunte, wie beiläufig Annabelle das Thema wechselte, und nickte. „Ich habe im Fenster der Herrenschneiderei ein Schild gesehen und nachgefragt. Mr Hudson hat mich eingestellt, nachdem ich ihm gezeigt habe, dass ich nähen kann. Morgen fange ich bei ihm an, und er lässt mich im hinteren Zimmer seines Ladens schlafen.“
    Das Lampenlicht beleuchtete Annabelles Gesicht gerade so weit, dass Kathryn sah, wie sich ihre Augen verengten. „Er hat gesagt, dass du im Hinterzimmer wohnen kannst? Und hat er dir zufällig auch erzählt, wie du für diese Unterkunft zahlen sollst?“
    „Nein, Annabelle, so ist es nicht. Ich versichere dir, Mr Hudson ist ein ehrlicher …“
    „Alle Männer sind so, Kathryn, wenn sie eine Gelegenheit dazu bekommen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Merk dir meine Worte: Du solltest vorsichtiger sein.“
    Kathryn wollte schon antworten, hielt dann aber inne. Offenbar hatte Annabelle noch nie andere Männer kennengelernt, und Kathryn bezweifelte, dass sie sich so leicht vom Gegenteil überzeugen ließe. Wenigstens nicht mit Worten. Dann begriff sie die Ironie von Annabelles Warnung und musste lächeln. „Ich passe auf. Versprochen. Und du passt auch auf dich auf, ja?“
    Mit einem Grinsen und einer aufreizenden Bewegung warf Annabelle ihre roten Haare zurück. „Ich bin immer vorsichtig, Schätzchen. Um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“
    Aus einem Impuls heraus beugte Kathryn sich vor und ergriff Annabelles Hand. „Ich meine es ernst, Annabelle. Bitte pass auf dich auf.“
    Annabelles Grinsen wurde schwächer. Sie sah Kathryn kurz in die Augen und wandte dann ihren Blick ab. Langsam zog sie ihre Hand zurück, und Kathryn hatte das deutliche Gefühl, Annabelles Grenzen überschritten zu haben.
    „Ich muss jetzt wieder an die Arbeit.“ Annabelles Stimme war leise und klang irgendwie anders als sonst. Dann holte sie tief Luft, und Kathryn konnte sehen, wie sie ihre Maske wieder aufsetzte. „Heute Nacht ist viel los. Die Bergarbeiter

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