Die Rückkehr des friedvollen Kriegers
ich meine.«
»Ja – aber das heißt noch lange nicht, daß ich es gut finde.«
»Ob du es gut findest oder nicht – hier geht es um größere Zusammenhänge«, erinnerte sie mich. »Es geht um mehr Menschen als nur dich und mich und Socrates. Wir sind nur ein paar Fäden in einer großen Decke. Es gibt Geheimnisse, die zu ergründen ich nicht einmal versuche; ich freue mich einfach, daß es sie gibt.«
»Socrates hat mir einmal eine Visitenkarte von sich gegeben«, erzählte ich ihr. »Unter seinem Namen steht: ›Spezialisiert auf Humor, Paradoxes und Veränderung‹.«
Lächelnd sagte Mama Chia: »Ja – genau so ist das Leben. Socrates hatte schon immer die Gabe, den Nagel auf den Kopf zu treffen.«
Dann faßte sie mich am Arm und sagte: »Du siehst, es geht nicht darum, ob ich Vertrauen zu dir habe oder nicht, Dan, sondern eher darum, ob du zu dir selbst Vertrauen hast.«
»Ich verstehe nicht ganz, was du meinst.«
»Auch auf dein Verständnis mußt du mehr vertrauen!«
»Aber Socrates hat gesagt, du würdest mir den Weg zeigen.«
»Ja, den Weg zeigen – aber kein Telegramm schicken, auf der eine Adresse steht. Um die verborgenen Schulen zu entdecken, mußt du die Inneren Aufzeichnungen finden. Die Geschäftsbedingungen verbieten mir, es dir direkt zu sagen. Ich kann dich nur so weit bringen, daß du es selbst siehst, kann nur helfen, dich darauf vorzubereiten. Die Landkarte liegt im Inneren.«
»Im Inneren? Wo?«
»Die verborgenen Schulen liegen oft mitten in einer großen Stadt oder in einem kleinen Dorf – vielleicht sogar in deiner unmittelbaren Nachbarschaft. Sie sind gar nicht unsichtbar. Aber die meisten Menschen gehen daran vorbei. Sie sind zu beschäftigt damit, in den Höhlen von Nepal und Tibet die Erleuchtung zu suchen. Solange wir Krieger nicht die Höhlen und schattigen Plätze in unserem eigenen Inneren erforschen, sehen wir überall nur unser eigenes Spiegelbild – und die Worte der Meister klingen wie Narrheiten, weil nur Narren ihnen zuhören.
Jetzt«, fuhr sie fort, »ist die Zeit gekommen, wo das Unsichtbare wieder sichtbar wird und Engel sich in die Lüfte schwingen. Du bist einer von ihnen. Es war meine Pflicht – meine beglückende Pflicht –, dir auf deinem Weg weiterzuhelfen. Ich führe die Menschen genau wie Socrates zu ihrer Seele hin. Wir sind da, um euch zu unterstützen – aber nicht, um es euch leichtzumachen. Du selbst mußt den Weg vorwärts finden, so wie du mich gefunden hast. Ich kann dir nur die richtige Richtung zeigen, dich drängen weiterzugehen und dir eine glückliche Reise wünschen.
Zieh die Stirn nicht so kraus, Dan«, sagte sie, als sie mein Gesicht sah. »Und versuche nicht immer alles herauszufinden. Du brauchst nicht unbedingt alles über das Meer zu wissen, um darin schwimmen zu können.«
»Glaubst du, daß ich bereit bin, den nächsten Schritt zu tun?«
»Nein, noch nicht. Wenn du jetzt fortgingest …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende. »Du hast es fast geschafft – vielleicht dauert es nur noch eine Stunde, vielleicht ein paar Jahre. Ich hoffe, daß ich noch lange genug hier bin, um mitzuerleben, wie du …«
»Wie ich den Sprung wage«, beendete ich ihren Satz.
»Ja. Denn ich habe dir ja schon gesagt, wenn du erst einmal im vierten Stock bist, ist der Rest wie eine Fahrt im Aufzug ohne Zwischenhalt nach oben.«
»Ich würde den Sprung heute noch wagen, jetzt in diesem Augenblick, wenn ich nur wüßte, wie«, sagte ich frustriert. »Ich würde alles für dich tun, Mama Chia. Du mußt mir nur sagen, was ich tun soll.«
»Es wäre schön, wenn es so einfach wäre, Dan. Aber es muß aus deinem eigenen Inneren kommen – so wie sich aus einem Samen die Blume entfaltet. Du kannst es nicht beschleunigen. Wie lange es dauert, liegt nicht in deiner Hand. In der Zwischenzeit tue einfach, was du gern tun möchtest und wobei du ein gutes Gefühl hast. Kümmere dich um die Dinge, die vor dir liegen. Nutze jede Gelegenheit, um zu wachsen und auf eine höhere Ebene zu gelangen. Und befasse dich mit allen unerledigten Aufgaben in den unteren Stockwerken. Sieh deinen Ängsten ins Auge; tue das Nötige, um deinen Gesundheitszustand und deine Energie auf Höchstform zu bringen. Beherrsche deine Energie und lenke sie in die richtigen Bahnen. Du mußt zuerst Meisterschaft über dich selbst erlangen, bevor du über dich hinauswachsen kannst.«
Sie hielt inne und holte noch einmal tief Luft. »Ich habe dir alles gezeigt, was du wissen
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