Die Rueckkehr des Henry Smart
eine Bombe reingelaufen. Hast du dich nie gefragt warum?
– Eigentlich nicht.
– Herrgott noch mal.
Er war nicht einfach wütend. Er war besorgt um mich – wie um seinen alten Onkel, der vor seinen Augen dahinschwand.
– Hör zu, Henry, das ist wichtig, sagte er. – Deine Kumpels, die Provisionals, nehmen das sehr ernst. Die Abfolge der Ereignisse nämlich, die sie dahin gebracht haben, wo sie heute sind. Aus der Vergangenheit bis hierher. Da ist einmal 1916, und du warst dabei. Du erinnerst dich?
– Yeah.
– Gut. Und da waren der First Dáil und der Second Dáil, und da waren die Männer, die rausgegangen sind und die Legitimation der Unabhängigkeitserklärung mitgebracht und letztendlich deinen Kumpels übergeben haben, so dass die behaupten können, sie wären die einzig legitime Regierung dieses Landes. Es ist eine Glaubenssache. Du weißt das. Du hältst den Kelch in Händen.
Ich nickte.
– Deshalb wollen die dich benutzen. Wenn du grünes Licht gibst, bedeutet ihnen das alles. Buchstäblich. Sie reden ständig über Marx und die Naturwissenschaften, aber ihr Herz gehört der Religion, weil die ihnen Gewissheit gibt, die Möglichkeit, befehlen, aber besser noch gehorchen zu können. Wenn du ihnen also sagst, dass der bewaffnete Kampf der einzig wahre Weg ist, sind sie mehr als bereit, jeden umzubringen, der versucht, sie daran zu hindern.
Jetzt machte ich den Mund auf.
– Ich soll sagen, dass der bewaffnete Kampf nicht der wahre Weg ist?
– Nein.
– Was?
– Es ist uns egal.
– Jetzt versteh ich gar nichts mehr.
– Ist uns klar. Er seufzte. – Die Sache ist sehr einfach. Du sollst uns berichten, was passiert. Sollst Kontakt halten – wo auch immer sie mit dir hinfahren.
– Ich soll spionieren.
– Genau.
– Zum Spitzel werden.
– Richtig. Aber wenn Spionieren dir besser gefällt als Spitzeln, ist uns das auch recht.
– Wieso sollte ich das tun? fragte ich.
– Weil wir recht haben und die Provisionals unrecht. Wir sind durchaus für Wahlen und dass die Bevölkerung selbst entscheidet.
– Wir leben ja schon in einer Republik, sagte der aus Dublin. Ich fuhr zusammen, als ich seine Stimme so dicht neben mir hörte. – Die meisten Menschen hier tendieren in diese Richtung, auch wenn vieles daran ziemlich beschissen ist.
– Aber wir wissen, sagte der Mann aus Clare, – wie kompliziert die Welt ist, und könnten den ganzen Tag über das Für und Wider liberaler Demokratie diskutieren. Deshalb liefere ich dir einen überzeugenderen Grund dafür, Augen und Ohren offen zu halten und uns zu berichten.
Er trat ein paar Schritte zurück.
– Hör zu, Henry. Wenn du nicht machst, was wir von dir wollen, stecken wir denen, dass du ein Schwindler bist. Du warst nie im First Dáil. Du warst nicht mal in der Nähe vom Mansion House, als die Unabhängigkeitserklärung ratifiziert wurde, und du warst sogar noch weiter weg, als die richtigen Leute rausgegangen sind.
– Ihr habt es gewusst, sagte ich.
– Ich hab einen Abschluss in Geschichte.
– Ich auch, sagte Campion. – Sogar vom Trinity College.
– So steht es also, sagte der Mann aus Clare. – Wir werden es ihnen stecken, sie werden dich umbringen, und deine Frau wird allein sterben.
Er trat zurück.
– Aber hallo, sagte er, – da ist ja noch die Tochter, die ihre Mami auch besucht, wenn sie hier ist, nicht?
Ich antwortete nicht.
– Wie alt ist sie? Sechzig?
– Yeah.
– Und sie ist auch deine Tochter.
Jetzt war er wieder glücklich.
– Ja, sagte ich.
– Die werden sie auch umbringen, ganz klar. Wenn sie rauskriegen, dass du ein Spitzel bist.
– Bin ich nicht.
– Bist du doch, Henry, sagte der Mann aus Clare. – Und jetzt raus mit der Sprache, was kannst du uns erzählen?
Ich holte tief Luft, und die Regale hörten auf zu schwanken. Ich schaffte es fast ohne Schlangenlinien bis zum Tresen.
– Die Zeitungen.
Die Bibliothekarin hinter dem Schalter rollte ihren Stuhl zurück. Sie hatte Angst, ich könnte auf sie kotzen. Die Rollen quietschten kurz und waren dann still.
– Wie bitte? fragte sie.
– Die Zeitungen.
– Auf dem Regal da drüben.
Ich schnappte mir den
Independent
und den
Mirror
und steuerte den erstbesten freien Stuhl an. Die Bibliothek war voller Männer, die darauf warteten, zum Abendessen nach Hause gehen zu können. Ich meinerseits wartete, bis der Schweiß getrocknet war und Hände und Arme nicht mehr zitterten.
Die fünf Forderungen waren leicht zu finden, der Hungerstreik
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