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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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diesmal. Der Mann neben mir war die Stimme, eines der wichtigen Gesichter. Solange er da war, würden sie keinen umbringen.
    – Bist du fit genug für einen Ausflug?
    – Wohin?
    – Bodenstown, sagte er.
    – Von mir aus.
    Bodenstown war ein Friedhof bei Sallins in Kildare. In dem großen Grab dort lag Wolfe Tone, der Anführer der United Irishmen, die 1798 die Briten in Angst und Schrecken versetzt hatten. Der Marsch nach Bodenstown war seit jeher rot markiert im republikanischen Kalender. 1918 war ich weggeblieben, weil nach mir gefahndet wurde, und 1919 hatte ich genug vom Marschieren gehabt.
    – Es ist doch nicht Juni, sagte ich zu dem Mann neben mir.
    Ich war meiner Sache nicht sicher.
    – Nein, sagte er.
    – Es ist nicht Sonntag.
    – Doch. Das schon.
    – Ach so. Na gut.
    – In dem Pflegeheim muss sich ein Tag wie der andere anfühlen, sagte er.
    Dieser Plauderton sah ihm nicht ähnlich. Er blickte aus seinem Fenster, während der Wagen den Hügel runterbretterte – durch Sutton Cross, über die Strand Road und durch Baldoyle.
    Jetzt musste ich was sagen.
    – Schlimme Geschichte.
    – Wie meinst du?
    – Die Hungerstreiks.
    – Stimmt, sagte er. – Schwierig.
    – Schwierig?
    – Ja.
    Allmählich empfand ich so was wie heimliche Bewunderung für manche der Männer, denen ich einen Kopfschuss verpasst hatte. Zum Spitzeln gehörte offensichtlich mehr als nur das Zuhören. Mein Arm, an dem die Dumpfbacke, die jetzt am Steuer saß, mich aus dem Pflegeheim geschleift hatte, tat tierisch weh.
    – Bist du angeschnallt, Henry? fragte der Mann neben mir.
    Er hatte wieder einen Bart, dunkel, aber so penibel beschnitten wie eine protestantische Hecke.
    – Nein, sagte ich.
    Der Flughafen lag hinter uns. Ich wusste nicht, wo wir waren. Wir fuhren über Landwege, die sich unvermittelt verbreiterten, die Hecken wichen zurück und gaben den Blick auf unfertige Neubauten frei, dann waren wir wieder auf dem Land, umgeben von der Düsternis der hohen Hecken.
    – Wie geht es ihr? fragte er.
    – Unverändert.
    – Das ist hart. Und Mister Reynolds?
    – Kritisch. Sehr kritisch, hörte ich mich sagen und staunte über mich selber.
    – Traurig.
    – Yeah.
    – Ein guter Mann.
    – Manchmal.
    – Ach, wir sind ja alle nicht anders ...
    – Warum fahren wir nach Bodenstown?
    – Aus demselben Grund wie immer, Henry. – Um unser Gelübde zu erneuern.
    – Es ist nicht Juni, sagte ich.
    – Stimmt.
    – Was ist das für eine Automarke?
    Er guckte verblüfft, einen Tick verärgert und dann belustigt.
    – Ob du’s glaubst oder nicht, ich weiß es selber nicht.
    – Toyota Corolla, sagte der Fahrer.
    – Da hörst du’s. Toyota. Warum fragst du?
    – Nur so. Hab überlegt, ob ich was investieren soll.
    – Hast genug vom Busfahren, was?
    Ich sah ihn an.
    – Ihr habt mich beobachtet.
    – Ja, sagte er. – Du bist ein populärer Mann.
    Das bedeutete Ärger.
    Ich versuchte in meinem eigenen Gesicht zu lesen, versuchte zu sehen, was er sah. Drängte Erschrecken und Angst zurück. Spürte keine Wärme unter der Haut. Die war so hart und wettergegerbt, dass kein Messer durchgekommen wäre, geschweige denn Beklemmung oder Panik.
    Ich sah aus dem Fenster auf meiner Seite. Ich ließ zwanzig Sekunden vergehen.
    Ich hatte nie jemanden bemerkt, der mir folgte, der sich ums Haus herumdrückte oder sich hinter einer Zeitung in einem Auto – einem Toyota zum Beispiel – auf die Lauer gelegt hatte. Bis auf die Arbeitslosen und die Junkies. Männer und junge Burschen, die ich vom Sehen kannte und denen ich manchmal zunickte. Vielleicht war der Spion einer von denen, einer, der Heroin für Irland spritzte und den letzten Penner spielte. Der sich der Szene angepasst hatte und einen guten Job machte.
    – Welche Farbe?
    – Der Wagen?
    – Ja.
    – Siehst du das nicht selber?
    – Die Bezeichnung.
    – Silber, sagte der Fahrer. – Bisschen dreckig inzwischen.
    – Fällt nicht auf, sagte ich.
    – Ja, sagte der Mann neben mir. – Man darf’s nur nicht übertreiben. Dann springt es ins Auge.
    – Wie ein Anzug, sagte ich. – Zu meiner Zeit hielten dich die Bullen an, wenn du ohne Anzug unterwegs warst, und wenn er zu ausgefallen war, machten sie’s genauso. Aufs gesunde Mittelmaß kam’s an.
    – Sehr richtig.
    Ich atmete freier, das Reden gab mir Sicherheit.
    Wohnsiedlungen waren jetzt nicht mehr zu sehen. Die Strecke war landschaftlich reizvoll, wie es so schön heißt – schmale heckengesäumte Holperwege, auf denen wir

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