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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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Aye.
    Ich glaubte ihm nicht.
    – Und du warst auch allein?
    – Aye. Wollte gerade einkaufen gehen.
    Er hatte Normalität gespielt – eine Flasche Milch und eine Tüte Kartoffelchips. Die Kugel war die eine Wahrheit – ein vorhersehbares Ereignis im Leben eines militanten Republikaners und durchaus glaubwürdig, aber da gab es eine zweite Wahrheit, die er für sich beanspruchte: Dass er unbehelligt auf der Straße herumlaufen konnte, wo ihn dann eine Kugel erwischt hatte; dass er zwei Tage später einarmig über die Grenze würde gehen können; dass niemand ihn vermissen würde; dass er sich nicht vor seinen eigenen Leuten versteckte und dass all das ganz normal war. Diese Wahrheit kaufte ich ihm nicht ab – der Mann log.
    Er sah zur Haustür.
    – Heikle Geschichte, sagte er.
    Er redete mehr, als er eigentlich wollte. Geständnisse als Schmerzlinderung.
    – Nur einige wenige Leute wissen, dass ich hier bin, sagte er. – Und meine Frau.
    – Du bist verheiratet.
    – Aye. Sie hat mir über die Mauer geholfen.
    Er verriet mehr, als ihm selbst recht war, das sah man ihm an. Um ein Haar hätte er angefangen zu flennen, wäre sentimental geworden. Hätte die Ballade auf seine Angetraute gesungen. Aber dann schniefte er und drängte die Aufwallung zurück.
    – Niemand weiß, dass du hier bist, sagte ich.
    – Stimmt nicht.
    – Hör zu, sagte ich. – Die Sache kommt mir komisch vor. Du schleichst rum wie ein verdammter Spitzel.
    Nur die Schulter hielt ihn davon ab, mir eine zu verpassen.
    – In diesem Raum gibt es nur einen Spitzel, sagte er.
    – Warum bin ich dann noch am Leben?
    – Du bist nützlich.
    – Als Botenjunge.
    – Nein, sagte er. – Deine Zeit wird kommen.
    – Ich bin vierundachtzig, verdammmich, und nicht unsterblich.
    – Du wirst es werden.
    – Nein, sagte ich.
    Er griff mit seiner heilen Hand nach mir und zog mich an seine Brust.
    – Doch, bestimmt.
    Sein Aufschrei erfasste den ganzen Raum und alles, was drin war. Als wenn man einen Stier in Stücke reißt – nur schlimmer. Dann sackte er über mir zusammen.
    Saoirse hatte ihm einen Schlag auf die Schulter verpasst und zog mich unter ihm weg.
    Er blieb regungslos liegen. Nur sein Mund zuckte, er versuchte, den Schrei zurückzuholen, ehe er nach außen dringen und ihn verraten konnte.
    – Was ist hier los?
    Saoirse schaute meinen Pullover an, tastete die Ärmel ab, wollte wohl sehen, ob ich noch drin steckte.
    – Wer ist dieser Mann?
    Sie hörte auf, an dem Pullover rumzumachen. Den hatte sie mir mal geschenkt. Marineblau mit einem Hirschkopf drauf.
    – Ich dachte, du bist fertig mit denen, sagte sie. – Ich glaube, er ist verletzt.
    – Jemand hat ihn angeschossen, sagte ich.
    Sie kniete sich neben ihn. Ich verfluchte den Mistkerl, der mir ihre Aufmerksamkeit stahl.
    – Ich sehe kein Blut.
    – Es ist schon ein paar Tage her, sagte ich.
    – Du alter Narr.
    Und der Mann auf dem Fußboden lachte. Oder versuchte es jedenfalls. Er hatte immer noch höllische Schmerzen, kriegte sie aber allmählich in den Griff. Sie kniete immer noch am Boden, war aber ein Stück weggerückt.
    – Warum lassen Sie ihn nicht in Ruhe? fragte sie. – Er ist ein alter Mann.
    – Ach, wir sind alte Freunde. Stimmt’s, Henry?
    – Genau.
    Er hatte sich aufgesetzt und sah schon wieder aus wie einer, der keine Hilfe braucht.
    – Ich wollte gerade gehen, sagte er.
    – Das wäre nett.
    Er wandte langsam den Kopf und sah sie an, aber er sprach zu mir.
    – Wir sind bereit zum Gespräch, Henry. Kannst du dir das merken?
    – Yeah. Ihr seid bereit zum Gespräch.
    – Aye. Ohne Vorbedingungen.
    – In Ordnung.
    – Was geht hier vor? fragte Saoirse.
    Sie war wütend und verunsichert. Sie versuchte schnell aufzustehen, um ihm zuvorzukommen, aber ihre Bewegungen waren steif.
    – Ich muss los, sagte er.
    Wenn das Haus verwanzt war, hatte er die Nachricht gerade selber abgeliefert. Aber ich war nicht sicher, ob er das wusste. Er ging mit abgewandtem Gesicht raus und ließ die Tür offen stehen.
    – Du hast es versprochen, sagte sie, als er weg war.
    – Ist keine große Sache, sagte ich.
    – Du bist genauso schlimm wie sie.
    Sie ging in das neue Zimmer und kam gleich darauf mit ihrem Koffer wieder raus.
    – Soll ich dir ein Taxi bestellen?
    – Nein, danke.
    Auch sie machte die Tür nicht zu.
    Ich stellte das Radio an, legte mich vorsichtig aufs Bett und schloss die Augen. Ich döste, aber das Radio lief weiter. Dann kamen die Nachrichten. Der Aufmacher war die

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