Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
Vom Netzwerk:
dass ich unter dem Ständer mit dem Infusionstropf hervor an die Wandseite des Bettes kam. Ich hielt mich an der Querstange fest, bückte mich und verfolgte das graue Kabel nach oben, an ihrem Hals entlang – ein schmaler fleischfarbener Klebebandstreifen, gut versteckt, hielt es straff – bis zu ihrem Ohr. Ich beugte mich noch weiter vor.
    – Scheiße, stöhnte ich.
    Direkt in ihr Ohr.
    – Entschuldige, Schatz, flüsterte ich in das winzige Mikrophon hinter dem kleinen Hügel, der die schöne – noch immer schöne – Öffnung bewachte.
    Das war meine beste Tat. Ich küsste das Ohrläppchen, dabei berührte ich kaum die Haut, in Harcourt Street würde man nichts hören.
    Dann sprach ich in den hässlichen kleinen Silberkopf des Mikros.
    – Ihr werdet mit mir reden müssen, Jungs, sagte ich.
    Vorsichtig holte ich den Knopf aus dem Ohr, es ging ganz leicht, er hatte nur locker in seiner Höhle gesessen. Ich fasste das Klebeband an einer Ecke, zog es behutsam ab und sah, wie die alte Haut mitging. Ich spürte es bis in meinen Rücken, als ich mich weit vorbeugte, um genau zu erkennen, was ich tun musste. Die letzte Ecke löste sich, und das Klebeband ging zusammen mit dem Kabel ab. Das Mikro fiel mir aus der Hand, ich fand es auf dem Boden wieder, zu meinen Füßen. Ich stellte mich drauf. Ich würde es zertreten, dann mussten sie kommen und mich holen.
    Aber als ich den Fuß hob, begriff ich, dass sie, wenn ich die Wanze umbrachte, ihren Wirt würde umbringen können. Ich nahm meinen Fuß weg, zog das federleichte Ding an seinem Kabel hoch und hielt es mir dicht vor die Augen. Es sah ganz ordentlich aus, nur staubig. Ich rieb es an meinem Ärmel ab und tat es dahin, wo ich es gefunden hatte.
    Er stand an einem roten Fiat Strada, gut in Form und deutlich besser betucht als früher.
    – Campion ist nach Australien gegangen.
    – Herrje, Henry, eigentlich sollten doch wohl wir dich ausspionieren.
    – Wie geht’s ihm denn?
    – Bestens. Hab ich gehört.
    – Gut.
    – Da unten muss er sich ja auch nicht mit Provos und anderen bescheuerten Typen rumschlagen.
    – Er arbeitet noch als Cop?
    – So war’s abgemacht.
    – Und Ihnen geht’s auch gut? fragte ich.
    – Bestens. Fahren wir ein bisschen spazieren?
    – Keine Lust, sagte ich.
    – Ganz wie du willst, Henry. Du hast die Info, also bestimmst du, wo’s langgeht.
    Er klopfte seine Hosentaschen ab, als ob er nach seinen Kippen suchte. Aber er hatte das rot verquollene Gesicht von einem, der das Rauchen aufgegeben hat.
    – Was hast du für uns?
    – Nur eine Nachricht, sagte ich.
    – Gut.
    – Ihr habt sie noch nicht gehört?
    Er schüttelte ganz leicht den Kopf.
    Ich pflanzte meinen Hintern neben seinen auf die Motorhaube. Sie war glühend heiß, aber ich blieb, wo ich war. Er war nicht weggerückt, wir waren alte Kumpels.
    Es war ein guter Tag gewesen. Ich hatte meine Frau geküsst, ich hatte tief Atem geholt, und Sauerstoff war in Ecken gedrungen, in denen jahrelang nur schale, abgestandene Luft gewesen war.
    Heute war ich echt ein wichtiger Mann. Alles lag klar vor mir, ich wusste, was ich zu tun hatte.
    – Wir sind bereit zum Gespräch. Ohne Vorbedingungen.
    – Das war’s?
    – Genau. Macht das Sinn?
    – Würd ich schon so sagen.
    Ich rief ihre Dubliner Nummer an. Sie meldete sich nicht. Ich rief ihre Nummer in Amerika an und wartete darauf, dass Benjamin sich meldete. Fehlanzeige. Ihr Anrufbeantworter mit der Ansage ihres Maklerbüros
Hi! Hier spricht Sa-o-irse Smart-O’Shea
lief nicht mehr.
Ich bin zur Zeit nicht da, aber ich bin nicht weit!
Ich versuchte es jeden Abend, aber niemand hob ab, und nach dem Läuten klickte nichts.
    Die Krankenschwester vom Special Branch war immer noch oben im Pflegeheim. Jetzt hieß es
Ja, Henry, nein, Henry
, ihre pampige Art hatte sie sich abgewöhnt. Ich bat um die Krankenakte meiner Frau, und die Schwester ging los und holte sie. Ich setzte mich diesmal ans Bettende, damit ich durch die Füße meiner Frau hindurch ihr Gesicht sehen konnte. Die Schwester kam mit der Akte zurück und ließ mich allein, während ich nach der Adresse meiner Tochter, der nächsten Angehörigen, suchte.
    Ich kannte den Kenilworth Square, war aber nie mehr in der Gegend gewesen, seit ich dort bei einer Ausgangssperre mal um mein Leben gerannt war.
    Ich klingelte und wartete. Ich klingelte noch mal. Sie hatte die Erdgeschosswohnung, ich stand direkt an ihrem Erkerfenster. Ich beugte mich vor und klopfte an die Scheibe. Das Türschloss

Weitere Kostenlose Bücher