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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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kaputt.
    – Haben wir tatsächlich keinem in die Knie geschossen? fragte ich sie.
    Ich wollte es wirklich wissen. Ich hatte auf Männer geschossen, um zu erreichen, dass ihre wütenden Kameraden auf andere Männer schossen. Ich hatte herumgeballert, um Angst zu erzeugen und auch Dankbarkeit. Ich hatte eine Leiche auf einer Straße liegen lassen, um massive, blinde Wut in den Nachbarstraßen zu entfachen. Ich hatte Menschen ermordet, weil man es mir befohlen hatte.
    – Haben wir nicht, sagte sie.
    – Bestimmt nicht?
    – Wir konnten doch nicht unsere eigenen Leute verstümmeln. Wozu denn?
    – Okay.
    – Haben wir nicht.
    – Gut.
    – Nur wenn sie’s verdient hatten.
    Ich sah sie an. Ich setzte mich auf. Es dauerte eine Weile.
    – Du glaubst noch daran, sagte ich.
    – Ja, wenn ich dran denke, sagte sie. – Manchmal.
    Sie versuchte sich ebenfalls hochzurappeln.
    – Es steckt noch in mir, sagte sie. – Und bei dir, Henry?
    – Eigentlich nicht.
    Ich hatte sie nie eingeweiht. Es hatte mich fast umgebracht, aber ich hatte ihr nie geflüstert, dass ich einer der wichtigen Männer war. Ich hatte es niemandem sagen dürfen, das war ein Befehl. Am Tag zuvor war ich daran erinnert worden.
    – Mein Freund, sagte er, als ich endlich die Tür aufgekriegt hatte. Man hätte sie aushängen und zurechthobeln müssen, in dem feuchten Wetter war das Holz gequollen, aber solche Jobs fasste ich nicht mehr an.
    Er war allein. Es war über fünf Jahre her, und der Bart war ab, aber da waren die Zähne und der Akzent – ich wusste, wer er war. Er folgte mir ins Haus.
    – Wie geht’s gesundheitlich? fragte er.
    – Bestens.
    – Siehst gut aus.
    – Stimmt nicht, sagte ich. – Aber ich schau nicht hin.
    – Das ist die richtige Einstellung.
    Es dauerte eine Weile – alles dauerte jetzt eine Weile, nichts ging mehr schnell –, aber dann begriff ich, was in mir vorging, als ich ihn sah: Ich freute mich unheimlich. Ich wurde für meine Geduld belohnt. Ich war der Maulwurf, der endlich aktiviert wurde. Miss O’Shea würde stolz auf mich sein.
    Mir fiel ein, dass Republikaner ihren Tee lieben.
    – Soll ich den Kessel anstellen?
    – Bemüh dich nicht.
    – Auch gut, sagte ich. – Kekse?
    – Nein, sagte er. – Nein.
    Ich hatte Goldgrains, aber die waren auch bei den Mäusen beliebt. Der Teller auf dem Tisch war voll von ihren Kötteln. Ich hörte die Mistviecher, hatte sie aber seit Jahren nicht mehr gesehen.
    – Ich bin auf dem Weg zum Parnell Square, sagte er.
    Ohne den Bart wirkte er nicht so robust, aber er war immer noch ein stattlicher Kerl. Sogar die Mäuse hörten zu.
    – Schaust du mal vorbei, hab ich mir gedacht, und sagst guten Tag.
    – Was ist auf dem Parnell Square? fragte ich.
    Auf dem Parnell Square hatte ich mal gesungen. Mit Jack Dalton.
    – Die Zentrale, sagte er. – Vom politischen Flügel. Muss sein.
    – Das klappt bestimmt.
    – Was?
    – Dass der Bart ab ist. Ich wette, du kannst überall hingehen, ohne dass man dich erkennt.
    Er lächelte.
    – Stimmt.
    – Ist bei mir genauso, sagte ich. – Mit Anzug haben sie mich einfach nicht gefunden.
    – Ein Anzug wär mir zu viel, sagte er. – Da wär ich lieber wieder im Kesh.
    – Long Kesh
    – Genau.
    – Scheint ein Drecksloch zu sein.
    – Ist es auch.
    Es war ein Gespräch von Mann zu Mann, ich genoss jedes Wort. Er machte mit einem Schubs die Tür zu. Sie quietschte.
    – Also, Henry – ich will nicht auffallen, deshalb sag ich jetzt mal schnell, was ich zu sagen habe.
    – Schieß los.
    Ich setzte mich nicht. Ich wäre auf der Stelle mit ihm gegangen, zum Parnell Square, vor die Mauern von Long Kesh. Ohne Gepäck.
    – Etwas Großes bahnt sich an, sagte er. – Etwas sehr Großes. Was alles ändern könnte.
    – Diese Schießereien ins Knie gefallen mir nicht, sagte ich.
    – Mir ja auch nicht. Aber jetzt hör zu. Einzelheiten kann ich dir nicht nennen, aber das ist nicht persönlich gemeint. Niemand kennt die Einzelheiten. Niemand.
    –
Dein Geheimnis ist bei mir sicher,
hätte ich gern gesagt.
Ich hab’s vergessen, ehe du wieder in deinem Wagen sitzt. Jetzt erzähl schon.
    – Das Timing ist entscheidend, sagte er. – Und es kann noch eine Weile dauern. Bist du fit?
    Ich nickte.
    – Bin ich.
    Ich konnte über Mauern klettern, stieg aber neuerdings bei Miss O’Shea vorn ein, die hintere Mauer war mir zu hoch geworden.
    – Bravo, sagte er. – Ignoriere, was du hörst. In den Nachrichten oder aus anderen Quellen. Das ist nur Tarnung. Der

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