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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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Nacht habe ich wohl zum letzten Mal die Schultern gezuckt. Und ich sah, was mit einer sterbenden Stadt passiert, wenn das Schulterzucken aufhört: Ich sah meinen ersten Dubliner Junkie.
    Ich klingelte noch mal.
    Ich lag auf der Trage und sah einem zugedröhnten Mädel beim Sterben zu. Ihre Freundinnen, die mit ins Krankenhaus gekommen waren, bemerkten mich nicht. An Betrunkene und Verrückte war ich gewöhnt, aber das war neu.
    Mit dem Klettern war es ein für alle Mal vorbei. Vom Dorf bis zu ihrem Haus brauchte ich sogar ein Taxi – fünfhundert Meter für ein Pfund neunzig.
    – Woll’n Sie das Wechselgeld? fragte der Fahrer.
    Er ließ den Wagen ein Stück rollen, als ich die Fahrgasttür aufmachte – ein junger Kerl um die fünfundzwanzig, mit einem Tattoo
Eire Nua
und der Trikolore auf dem Arm, in dem er mein Wechselgeld hatte.
    – Allerdings, sagte ich.
    Ich war schon mit einem Fuß auf der Straße. Das Holzbein war noch im Taxi.
    – Sind doch nur zehn beschissene Pence, sagte er.
    – Es sind meine zehn beschissenen Pence.
    Das war vor ihrem Gartentor. Meist stand sie schon am Fenster und wartete. Es war wieder Samstagabend. Ich hatte mich rasiert, jedenfalls bildete ich mir das ein. Ich war drauf und dran, ihn aus dem Taxi zu zerren, aber er gab das Geld her.
    – Na also, sagte ich.
    Der Wagen rollte nicht mehr, ich kam ohne weiteres raus. Ich knallte die Tür zu. Das klappte nicht. Ich versuchte es noch mal, und in dem Moment beugte er sich rüber und machte es selber. Der Knall der Tür und sein
Scheiße
waren Musik in meinen Ohren. Mit meinem Gehör war alles in Ordnung. Ich war versucht, doch noch einmal die Mauer anzugehen, aber dann ließ ich es sein. Die Frau, die vor ein paar Monaten die Polizei verständigt hatte, würde aus dem Fenster sehen. Zwei Frauen würden gaffen, wenn ich die Auffahrt hochging, Miss O’Shea und die Nachbarschaftswache. Wie die aussah, wusste ich nicht, aber ich erinnerte mich an eine Stimme und Titten unter schwarzer Wolle –
Alles in Ordnung mit Ihnen? Hallo?
Es war nicht sehr weit bis zur Haustür, allerdings ging es ein Stück bergauf. Aber meine Lungen waren okay, meine Schultern wurden breiter, ich hatte einen Hals, ich hatte eine Brust.
    Ich klingelte.
    Ein herrlicher Abend. Ich sah mich um, während ich auf Miss O’Shea wartete. Blitzblauer Himmel über dem Old Shillelagh, dem Hotel schräg gegenüber. Es sei ein IRA-Nest, hatte mir mal jemand erzählt – damals, als mir das einerlei war. Männer, die aus den Internierungslagern abgehauen waren, und andere Flüchtlinge versteckten sich dort, und die Polizei ließ sie in Ruhe. Aber das war Jahre her. Von da, wo ich stand, sah das Hotel völlig harmlos aus. In dem großen Saal nach hinten raus gab es ständig Hochzeitsfeiern. Ich hatte oft Männer im Anzug hinter geparkte Autos kotzen sehen und Mädels, die es an den gleichen Autos mit jungen Kerlen trieben. Drei fette Mädels wackelten jetzt auf ihren hohen Absätzen über den Parkplatz zur Bar. Ein junger Kerl kam raus, als sie gerade reingingen. Auch über die breite Straße hinweg sah ich, wie mächtig ihm die Muffe ging. Auch meinen Augen fehlte nichts, sie waren nicht mehr blau, aber sie funktionierten. Und ich sah das Rot in den Augen von dem Typ. Die drei Mädels ergaben ein einziges furchteinflößendes Weib.
    Aber ich wartete ja auf mein eigenes Superweib. Ich klingelte wieder und wartete auf ihre Silhouette in der Glastür, das Geräusch ihrer Absätze auf dem Fußboden. Ich klingelte wieder und versuchte zu zählen, wie oft ich es schon versucht hatte.
    Ich sah nicht mehr auf die Tür.
    Die Mädels waren reingegangen. Der Junge stand an der Bushaltestelle.
    Ich musste Geduld haben. Ich durfte nicht sterben. Ich würde die Nachricht bekommen, und ich würde das Wort sagen. Ich würde es wissen, ich würde nicht danach fragen müssen.
    Drüben im Hotel war jetzt alles ruhig. Der Junge an der Bushaltestelle war weg. Ich hatte den Bus nicht kommen sehen. Ich guckte in die andere Richtung, aber er war offenbar nicht zu Fuß unterwegs.
    Sie rührte sich nicht. Ich legte das Gesicht an die Glasscheibe, aber dann gab ich es auf und schlug sie mit dem Ellbogen ein. Sie ging beim ersten Mal kaputt, aber ich empfand keine Genugtuung. Der Geruch nach abgestandenem Essen kam durch die Sprünge im Glas – altes Porridge, dachte ich, nicht heute früh gekocht. Seit Mittwoch hatte ich sie nicht mehr gesehen. Drei Tage. Ich schlug mit dem Ellbogen gegen die

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