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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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er. – Du weißt, was sie bedeutet.
    – Ja, Father. Wissen Sie es auch?
    Ein Finger holte die Brille zurück auf die Nase. Er wirkte unsicher und eingeschüchtert, der Mistkerl.
    – Ja, sagte er.
    – Na schön. Ich geh durch die Hintertür raus.
    Er saß am Schreibtisch, aber ich hatte alles im Griff.
    Ich ging durch die leere Küche zur Tür. Die Pfarrköchin hielt sich raus. Ihren Einfluss auf mich hatte sie vor ein paar Jahren verloren, meinen Lohn bekam ich jetzt als Scheck von Strickland, unter Abzug von Steuer und Sozialversicherung, obgleich ich viel zu alt zum Arbeiten war. Ich brauchte nicht mehr im strömenden Regen auf ihrer dämlichen Vortreppe zu stehen und zu warten, bis sie die Tür einen Spaltbreit aufmachte und mir mein Geld in die Hand drückte.
    Als ich an der Tür war, begriff ich, dass der Pfarrer von Anfang an dabei gewesen war und nicht erst seit der Bombe. Ich wusste es seit über einem Jahr, aber ich hatte nicht richtig hingesehen. Angefangen hatte es schon, als er mich zum ersten Mal angesprochen hatte. Da hatte er mich nicht einfach im Dorf angehalten und mir den Job angeboten, er hatte auf Befehl von oben gehandelt. Ehe die Unruhen wieder angefangen hatten, vor 1966, lange vor der Bombe, durch die ich angeblich wieder entdeckt worden war, hatte man dem jungen Priester gesagt, er solle mir den Job besorgen und mich im Auge behalten. Für später.
    Es war ein ganz schöner Schlag, aber ich ging nicht langsamer, blieb nicht stehen. Sie hatten auf mich gewartet, als ich das erste Mal in Ratheen aus dem Bus gestiegen war; sie hatten mich all die Jahre beim Gärtnern beobachtet. Und davor – schon als ich mit John Ford in Shannon gelandet war.
    Ich ging so gelassen, wie ein alter Mann mit einem Holzbein eben gehen kann, die Einfahrt vom Haus des Priesters herunter und bog auf die Main Road ein. Und dann kam mir ein verrückter Gedanke: Die ganze irische Geschichte drehte sich um mich. Ich ließ den Gedanken los, und er machte sich schleunigst davon. Ich lief ihm nicht nach. Die irische Geschichte konnte mir gestohlen bleiben. Ich war verliebt.
    Eines Abends fiel ich über die Mauer, kroch unter dem Fahrrad hervor und setzte mich ins Gras, bis ich wieder etwas zu Atem gekommen war. Die Nässe kroch mir in die Hose, aber ich konnte nicht aufstehen. In ihrer Küche brannte kein Licht. Aber die Rouleaus waren nicht runtergelassen. Sie stand da, guckte raus, wartete. Ich rieb mir die Augen und rappelte mich auf. Mir war ein bisschen schwindlig, mein Gesicht fühlte sich klebrig an, und die Lampen und Häuser schwankten und zerflossen. Aber ich konnte stehen. Mein Mund schnappte nach Luft und hielt sie fest. Der Rasen war nur ein Fleckchen Gras. Zwölf große Schritte bis zur Hintertür, nur die leere Wäscheleine im Wege, dann war es geschafft. Die kalte Luft tat gut. Ich machte die Tür auf. Nirgends war Licht, nicht in der Diele, nicht auf dem Treppenabsatz darüber. Das Haus war total dunkel.
    – Scheiße.
    Hier stimmte etwas nicht.
    Sie lag oben, im Sterben oder schon tot. Vielleicht seit Mittwoch, als ich zum letzten Mal über die Mauer gehechtet war.
    Ich schaffte es zum Lichtschalter neben der Tür zur Diele. Ich machte Licht.
    Sie saß am Tisch. In ihrer Cumann-na-mBan-Uniform.
    Sie lächelte nervös.
    – Hast du gedacht, ich bin tot, Henry?
    – Quatsch.
    – Hast du dir Sorgen gemacht?
    – Nein, sagte ich. – Nicht sehr. Ist es die von damals?
    – Ja. Nur der Rock ist neu. Aber sie passt noch.
    – Warum auch nicht? Du warst schon damals so ein mageres Huhn.
    Ich setzte mich ziemlich plötzlich.
    – Sogar mit Hut, sagte ich.
    – Sogar mit Hut.
    Sie stand auf und sah auf die Wanduhr.
    – Es ist spät genug, sagte sie. – Komm jetzt.
    Sie ging raus und holte das Fahrrad aus dem Blumenbeet.
    – Ich komm mit dem Ding nicht zurecht, sagte ich.
    – Das Treten übernehme ich, sagte sie. – Ist ja nicht das erste Mal. Du kannst dich auf die Querstange setzen.
    – Den Teufel werd ich tun.
    – Meinst du?
    Wir radelten durchs Dorf, das Pub und der Fish-and-Chips-Laden waren zum Glück schon geschlossen. Wir begegneten niemandem und trafen auf keine großen Hindernisse. Wir fuhren nicht den Hang hoch, um nicht ihren Atem rasseln zu hören. Ich hielt den Lenker, und sie hielt mich. Ich drückte meinen alten Hintern an sie und wusste, dass ich ihr die Kraft gab, in die Pedale zu steigen. Sie war seit Jahren nicht mehr geradelt.
    – Nicht, seit ich eine anständige Frau geworden

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