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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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bin.
    Das Sprechen brachte sie fast um.
    Aber sie gab nicht auf.
    – Wenn sie jetzt kommen?
    – Wer? fragte ich. – Die Bullen?
    – O Gott. Wenn nun ...
    – Tut mir leid, Schatz, ich kann nicht den Lenker halten und reden. Entweder oder.
    Sie lachte. Ich spürte es am Zittern ihrer Arme.
    – Schade, dass die Post um diese Zeit zu ist, sagte sie. – Wir hätten reinradeln können. Erinnerung an alte Zeiten.
    – Wir hätten es nie wieder nach draußen geschafft.
    – Das stimmt schon.
    – Und wir würden mit dem Randstein nicht klarkommen.
    Sie lotste uns auf die neue Main Road, die war nicht so steil und führte nicht in das alte Dorf, das schaffte sie gerade noch. Ich bog wieder auf die alte Straße ein, und wir fuhren im Freilauf den Hang runter, während der Wind an unseren Sachen und unseren Wangen zerrte. Der Hut fiel nicht runter, und ich auch nicht.
    – Besser als der
Quiet Man
, sagte ich.
    – Weiß Gott, ja. – Mit diesen blöden Tandems kann man ja nichts machen.
    – Außer radeln.
    Am Ende des Hanges hielt sie an.
    – Ich bin fix und fertig, sagte sie.
    Also tauschten wir, sie setzte sich auf die Querstange, ich trat in die Pedale, so wie ich es von früher noch in Erinnerung hatte, und fuhr los. Mit dem Bein konnte ich eigentlich nicht Rad fahren – aber irgendwie ging es.
    – Lebst du noch?
    – Na klar doch.
    Aber weit kam ich nicht.
    – Das Bein ist am Arsch.
    – Du hast genug.
    – Und du?
    – Geht noch.
    – Gratuliere.
    Als sie abstieg, zuckte Schmerz über ihr Gesicht. Ich sah weg, während sie sich langsam wieder zusammenlas. Aber dann zwang ich mich hinzusehen. Und ich liebte sie.
    – Ich bin geschafft, sagte sie schließlich.
    – Dabei hab ich die Scheißarbeit ganz allein gemacht.
    – Immer noch derselbe Angeber.
    Wir waren drei Schritte von meiner Haustür entfernt.
    – Gehen wir rein?
    – Nein, sagte sie und sah mich an.
    – Ich bin nicht die, für die du mich hältst, sagte sie.
    Ich sah sie an.
    – Na gut.
    Wir gingen zu Fuß zurück zu ihrem Haus. Wir stützten uns beide auf das Rad, das hatte ich dringend nötig. Mir war, als hätte ich gerade erst das Bein verloren, bei jedem Schritt ging mir der Schmerz durch und durch. Egal – wir kämpften uns zusammen die Main Road hoch.
    Wir schafften es aufs Bett. Ich half ihr, den zweiten Stiefel auszuziehen. Sie legte sich in ihrer Uniform hin und ließ den Hut zu Boden fallen. Ich legte mich neben sie. Das Bein nahm ich noch nicht ab, mir schwante, was ich dann sehen würde.
    Da lagen wir nun.
    – Was ist, wenn sie jetzt kommen?
    – Dann finden sie zwei alte Leute, die sich fürchten, die Augen zuzumachen.
    – Aber sie kommen nicht, sagte sie.
    Sie drehte den Kopf, ich spürte ihren Atem, dann berührten ihre Lippen die Haut an meinem Auge.
    – So, sagte sie.
    Und legte sich wieder hin.
    – Heut Nacht dock ich nicht bei dir an, sagte sie.
    – Danke.
    – Du Lückenbüßer.
    – Morgen, sagte ich. – Morgen kannst du’s angehen.
    – Vielleicht. Bist du glücklich, Henry?
    Ich überlegte. – Ja.
    – Gut, sagte sie. – Ich auch.
    Wir schliefen.
    Keine Träume, keine Finger.
    Wir wachten zusammen auf.

| Dritter Teil

10 | Vier Jahre musste ich warten.
    Ich war zu alt und zu kaputt für den Job, aber niemand würde mich rausschmeißen. Die Schule ging mehr und mehr den Bach runter, und dem Republikanertum erging es genauso. Schon ehe mich die Bombe erwischt hatte, waren Bombenanschläge auf Pubs und Entführungen gang und gäbe. Ein Pub nach dem anderen – Guildford, Birmingham, fünfzig Prozent aller Kneipen in Belfast. Schlag und Gegenschlag – wie du mir, so ich dir, Mord wurde zur Bagatelle, Banküberfälle waren an der Tagesordnung, und jede Wohnsiedlung kannte einen Provo mit einem roten Auto und einer steifen Lederjacke. Nur in einigen wenigen Pubs hörte man noch Rebellenlieder. Die kleinen Jungs sangen nicht mehr von englischem Blut und von den Männern hinter Stacheldraht. In den Klassenzimmern wurden die Bilder der toten Republikaner abgehängt. Die Provisionals waren auf der Verliererstraße, aber nur einigen wenigen war das klar.
    – Zu unserer Zeit gab es das nicht, sagte ich.
    – Was? fragte sie.
    Ich zeigte auf den Fernseher.
    – Das da.
    Es war das Jahr 1980, und wir guckten die Nachrichten.
    – Schüsse in die Kniescheibe, sagte ich.
    – Nein, das hatten wir nicht.
    Während die Provos die Banken des Landes leer räumten, schossen sie jugendlichen Ladendieben die Kniescheiben

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