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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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oder? Wie heißen Sie?
    – Ich heiße Smart.
    – Henry.
    – Genau. Bitte – wo ist sie?
    – Sie haben in der Schule gearbeitet, sagte sie.
    – Genau.
    – Wann sind Sie ... wann haben Sie geheiratet?
    – 1919. Unwillkürlich lächelte ich. Aber sie nicht.
    – Was war denn mit dem anderen, fragte sie. – Dem, der gestorben ist. Ihrem Mann. Mister O’Kelly.
    – Ein Missverständnis, sagte ich. – Erzähl ich Ihnen ein andermal. Wissen Sie, wo sie ist?
    – Nein.
    – Nein?
    – Nicht direkt. Beim Metzger hat mir eine Frau erzählt, dass sie in einem Pflegeheim ist.
    Ich hatte es bei allen Krankenhäusern versucht, ich hatte Tage dafür gebraucht. Keine Missis O’Kelly, keine Missis Smart, keine Miss O’Shea – und keine Unterlagen über eine dieser alten Frauen. Ivan Reynolds war mir zuvorgekommen.
    – Wo ist das Pflegeheim?
    – Genau wusste die Frau das nicht, sagte die Nachbarin. – Und so gut hab ich Missis O’Kelly nie gekannt. Sind Sie wirklich Ihr Mann?
    – Ja. Wo ist das Pflegeheim?
    – Howth, sagte sie. – Ich glaube, die Frau hat Howth gesagt.
    – Danke.
    Sie wollte mehr wissen, aber ich ließ sie stehen. Ein Taxi wartete am Straßenrand.
    Ich fand sie. Nur zwanzig Minuten mit dem Taxi bis zu einem Pflegeheim in Howth. Mit Blick auf die Bucht, die sie nie zu sehen bekommen sollte.
    Sie lag auf einem Bett unter dem Fenster, das eine Auge, das einzig Lebendige an ihr, war offen und sah zur Decke.
    – Ich bin ihr Mann, sagte ich zu der Schwester.
    – Sie ist Witwe.
    – Nein, sagte ich. – War sie mal.
    – Wie schön, sagte die Schwester, eine süße dralle Schnecke vom Land. – Habt ihr erst kürzlich geheiratet?
    – Nein.
    – Vor Jahren?
    – Viele Jahre, ehe sie den anderen Mann kennengelernt hat.
    – Herrje.
    Sie war begeistert. Sie sah, wie ich die Hand der toten Frau hielt.
    – Möchten Sie eine Tasse Tee?
    – Nein danke.
    – Bestimmt nicht?
    – Bestimmt nicht. Alles bestens.
    Sie setzte sich ans Bettende, ihre Zehenspitzen reichten gerade bis auf den glänzenden Fußboden.
    – Sie gibt keinen Laut von sich, sagte sie. – War sie immer eine Stille?
    – Machen Sie Witze? sagte ich, der stolze Ehemann. – Eine ganz Verrückte war sie.
    – Ach ja?
    – Sie war im Unabhängigkeitskrieg dabei.
    – Hat sie gekämpft?
    – Yeah.
    – Geschossen?
    – Und ob.
    – Meine Güte.
    Aus einem anderen Zimmer kam Lärm. Sie sprang vom Bett und rannte raus. Ich sah ihrem knackigen Hintern nach.
    – Bin gleich wieder da, rief sie.
    Aber sie ließ mich eine Weile in Ruhe. Ich saß da und beobachtete das Auge und hoffte. Wochenlang.
    Aus Stolz wurde Wut. Ich war nicht wütend auf sie, nicht nur auf sie. Ich war wütend auf uns beide. Wir hätten das einzig Vernünftige machen sollen, wir hätten die letzten paar Jahre nutzen und ganz normal miteinander leben sollen. Sie hatte das jahrelang mit dem anderen Mann gemacht. Jetzt wäre ich an der Reihe gewesen.
    Ich ging jeden Tag hin. Für Taxis hatte ich kein Geld. Ich fuhr mit dem Bus nach Howth und per Anhalter den Hügel hoch. In O’Kellys Tweed sah ich aus, als ob ich in dieser noblen Gegend oberhalb des Dorfes lebte. Ich brauchte nie lange zu warten, bis mich jemand mitnahm.
    Ich saß da und hielt ihre Hand. Die dralle Hübsche und die anderen Schwestern und Küchenhilfen kamen abwechselnd vorbei. Ich wusste, dass sie da waren, ohne dass ich mich mit meinen knarzenden Knochen umzudrehen brauchte. Ich hörte das Quietschen ihrer Arbeitsschuhe oder die romantischen Gefühle und die Traurigkeit, die in ihren Seufzern mitschwangen. Ich wusste, dass sie da waren, und die Neugier, die Aufmerksamkeit, der seifige Geruch der Schwestern – das alles gefiel mir.
    An einem Tag quietschte es dann nachdrücklicher. Ich wusste, dass Ivan Reynolds hinter mir war. Der Mann, den ich zum Töten ausgebildet und der dann versucht hatte, mich zu töten. Und der Mann, der für das Bett meiner Frau zahlte.
    Diesmal drehte ich mich um.
    – Wer sind Sie? fragte die Frau unter der Tür. – Was wollen Sie hier?
    Sie war jetzt eine alte Frau, aber ich sah meine Tochter vor mir. Das Haar war grau, aber es war meine sechzigjährige Tochter, die in der Tür stand, kerzengerade wie einstmals ihre Mutter. Es war ihr Gesicht, verwundert, aber selbstsicher und zornig. Und dahinter war etwas in den Augen, dem Gesicht hinter dem Gesicht, das ich erkannte. Aber sie hatte keinen Schimmer, wer ich war.
    – Wer sind Sie? fragte sie.
    – Da soll mich doch der Teufel

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