Die Rueckkehr des Nexius
daß sie sein Gesicht sehen konnte. »Findest du das wirklich?«
Nofretete blickte in ein faltiges, weißhaariges Gesicht mit tiefen Furchen und Linien, das einem Sechzig- oder Siebzigjährigen gehören mochte.
»Ja, sieh her! Sieh mich nur an!« rief er. »Ich bin ein alter erschöpfter Mann. Und hier, meine Hände! Sie zittern und sind fleckig und voller Falten!«
»Das macht mir nichts aus«, sagte sie. Sie ging vor ihm in die Knie, zog seinen Kopf an sich heran und bettete ihn an ihre Brüste. Der Nexius in ihr spürte die Nähe eines potentiellen Opfers und wurde unruhig. Doch Nofretete hatte ihn vollkommen unter Kontrolle. »Ich bin froh, daß ich dich gefunden habe. Ich wollte dich unbedingt noch einmal sehen, bevor .«
Ihre Nähe schien ihm etwas Ruhe zu geben.
»Ja, es geht zu Ende«, sagte er leise. »Nicht nur mit mir.«
»Du weißt ja gar nicht, wie recht du hast.«
Er hob den Kopf und sah sie an.
»Ich will nicht so enden, Nofretete«, gestand er. »In den letzten Tagen habe ich soviel Blut getrunken wie noch nie zuvor, aber es hat mir nicht geholfen. Im Gegenteil ist der Durst nur noch stärker geworden. Er verzehrt mich von innen her. Ich kann an nichts anderes mehr denken. Ich kann nicht schlafen, ich kann nicht denken, ich kann nichts außer ... außer langsam zu krepieren!« Die letzten Worte spie er aus.
Nofretete wußte nicht, was sie sagen sollte. Also schwieg sie.
»Ich will nicht so enden«, wiederholte er. »Das ist unwürdig.«
Sie sah ihn ernst an. »Ich kann dir helfen.«
Er erwiderte ihren Blick. »Ja, darum bitte ich dich. Du mußt mir das Genick brechen! Ich wüßte niemand anderen, in dessen Hände ich meinen Tod lieber legen würde.«
»Es ist kein leichtes Sterben«, sagte sie.
»Immer noch besser als das, was mir sonst bevorstünde!«
»Ich könnte dich auf eine andere Art und Weise töten, Jacques. Es wäre zwar schmerzhaft, aber schon nach einem kurzen Augenblick vorbei.«
Er machte ein verwirrtes Gesicht. »Wie meinst du das?«
»Wenn du willst, zeige ich es dir.« Sie entfernte sich ein paar Handbreit von ihm. »Aber zuvor mußt du entscheiden, ob du mich so sehen willst.«
»Warum sollte ich nicht?«
»Ich bin nicht nur das, als was du mich kennst.«
»Nofretete!« sagte er eindringlich. »Mich kann nichts mehr schrecken. Also zeig mir, wie du mich töten willst.«
»Also gut ...« Sie hob die rechte Hand hoch, die vor Jacques' er-staunten Augen zu einer schwarzen Masse zerfloß.
Sein Blick pendelte zwischen der Hand und Nofretetes Augen hin und her.
»Aber das ... das ist ...«, begann er.
»Der Nexius«, erklärte sie emotionslos. »Er hat sich mit mir verbunden, als ich zusammen mit ihm die Jahrtausende überdauerte. Und mit mir ist ein Teil von ihm aus seinem Gefängnis entkommen. Wir gehören jetzt untrennbar zusammen.«
»Das bedeutet ... daß du für die mumifizierten Toten verantwortlich bist!«
»Ja«, gab sie freimütig zu. »Der Nexius braucht Vampirblut. Ebenso wie ich Menschenblut.«
Jacques schüttelte fassungslos den Kopf. »Und ich habe die ganze Zeit über nichts davon bemerkt. Aber . warum hast du mich nicht getötet? Du hattest doch genügend Gelegenheiten dazu.«
»Das habe ich nie tun wollen. Falls diese Seuche nicht ausgebrochen wäre, hätte ich London verlassen, ehe du in Gefahr gekommen wärst, ein Opfer des Nexius zu werden.«
Er nickte nachdenklich. »Mein Blut würde den Nexius in dir weiter stärken?«
»Es würde mir dabei helfen, ihn unter Kontrolle zu halten. Seitdem diese Seuche grassiert, wird auch sein Hunger auf Vampirblut immer stärker und unbändiger. Und ich weiß nicht, auf welche Art es auf mich Einfluß nimmt. Gealtert bin ich bisher nicht. Aber ich habe immer größere Schwierigkeiten, meine menschliche Form zu wahren.«
»Dann würde mein Tod also deine Schönheit ein wenig länger erhalten?«
»Ja.«
»Dann töte mich«, sagte er aus tiefster Überzeugung.
»Du bist dir sicher?«
Er nickte nur. Sein Blick traf ein letztes Mal den ihren und hielt ihn ein paar Augenblicke lang fest, bevor Nofretete auseinanderzufließen begann, Jacques ganz einhüllte und ihn dann in sich aufnahm.
Als sie sich wieder zurückformte, schenkte sie seinen mumifizierten Überresten keinen einzigen Blick mehr. Sie wollte ihn so in Erinnerung halten, wie sie ihn zum Schluß noch einmal gesehen hatte.
Sie ging und kehrte den Piers den Rücken.
Nofretete fühlte, daß sie nun nichts mehr in London hielt. Hier würde sie
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