Die Rückkehr des Poeten
geeigneter Oberflächen kam negativ zurück. Es war dort draußen weiß Gott wie lang der Witterung ausgesetzt. Deshalb gingen wir einen Schritt weiter. Agent Alpert genehmigte die Demontage des Beweisstücks, und die wurde gestern Abend im Hangar von Nellis vorgenommen. An dem Boot gibt es Grifflöcher, spezielle Stellen, um das Tragen des Bootes zu erleichtern. Es war früher einmal ein Rettungsboot der Navy, gebaut in den späten Dreißigerjahren und nach dem Zweiten Weltkrieg aus militärischen Restbeständen verkauft.«
Während Doran fortfuhr, öffnete Dei einen Ordner und nahm ein Foto des Boots heraus. Sie hielt es Rachel hin, da Rachel das Boot selbst nie gesehen hatte. Als sie an die Ausgrabungsstätte gekommen war, hatte es sich bereits in Nellis befunden. Sie fand es erstaunlich und typisch, dass das FBI so viele Informationen über ein in der Wüste gestrandetes Boot zusammentragen konnte, aber so wenig über die Straftat, mit der es in Zusammenhang stand.
»Bei unserer ersten Untersuchung kamen wir nicht in das Innere der Grifflöcher. Das gelang uns erst, nachdem wir es zerlegt hatten. Und dort hatten wir schließlich Glück, weil diese kleine Höhlung größtenteils vor Witterungseinflüssen geschützt war.«
»Und?«, fragte Alpert ungeduldig. Der Weg interessierte ihn offensichtlich nicht. Er wollte nur das Ziel.
»Und wir konnten vom Backbordgriff am Bug zwei Abdrücke nehmen. Wir ließen sie heute Morgen durch die Datenbanken laufen und hatten fast sofort einen Treffer. Es mag sich vielleicht seltsam anhören, aber die Fingerabdrücke stammten von Terry McCaleb.«
»Wie soll das denn gehen?«, fragte Dei.
Alpert sagte nichts. Sein Blick blieb auf den Tisch geheftet. Auch Rachel saß still da, während sie fieberhaft überlegte, um mit der Entwicklung Schritt zu halten und diese jüngste Information zu verstehen.
»Er muss irgendwann seine Hand in das Griffloch des Boots gesteckt haben«, sagte Doran. »Ein andere Möglichkeit gibt es nicht.«
»Aber er ist tot«, sagte Alpert.
»Was?«, entfuhr es Rachel.
Alle Anwesenden wandten sich ihr zu und sahen sie an. Dei nickte langsam.
»Er starb vor etwa einem Monat. Herzinfarkt. Bis South Dakota ist das wahrscheinlich nicht durchgedrungen.«
Dorans Stimme kam aus dem Lautsprecher.
»Rachel, es tut mir wirklich Leid. Ich hätte dir Bescheid geben sollen. Aber ich war so bestürzt darüber und bin sofort nach Kalifornien geflogen. Es tut mir Leid. Ich hätte es dir sagen sollen.«
Rachel blickte auf ihre Hände hinab. Terry McCaleb war ihr Freund und Kollege gewesen. Er war einer der Empathen gewesen. Ungeachtet der Tatsache, dass sie Jahre nicht mehr mit ihm gesprochen hatte, hatte sie ein abruptes und intensives Verlustgefühl. Ihre gemeinsamen Erfahrungen hatten sie lebenslang miteinander verbunden, und jetzt war dieses Leben für ihn zu Ende gegangen.
»Okay, Leute, vielleicht sollten wir an dieser Stelle eine Pause machen«, sagte Alpert. »Fünfzehn Minuten. Anschließend sehen wir uns wieder hier. Brass, können Sie dann wieder anrufen?«
»Ja. Es gibt noch mehr zu berichten.«
»Wir hören voneinander.«
Alle gingen nacheinander aus dem Raum, um Kaffee zu holen oder auf die Toilette zu gehen. Um Rachel allein zu lassen.
»Alles in Ordnung, Agent Walling?«, fragte Alpert.
Sie schaute zu ihm hoch. Das Letzte, was sie annähme, wäre Trost von ihm.
»Mir geht’s prima«, sagte sie und richtete den Blick wieder auf den leeren Bildschirm.
17
R
achel blieb allein im Besprechungszimmer. Ihr anfänglicher Schock wich einer Woge von Schuld, die sie von hinten erfasste wie eine achterliche See. Terry McCaleb hatte im Lauf der Jahre immer wieder versucht, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Sie hatte seine Nachrichten erhalten, aber nie darauf geantwortet. Als er nach der Transplantation im Krankenhaus lag, hatte sie ihm eine Karte geschrieben. Das war vor fünf oder sechs Jahren gewesen. Wann genau, wusste sie nicht mehr. Sie erinnerte sich, ganz bewusst keinen Absender auf den Umschlag geschrieben zu haben. Vor sich selbst hatte sie das damals damit begründet, dass sie nicht mehr lange in Minot sitzen würde. Aber schon damals hatte sie genau wie jetzt den wahren Grund dafür gekannt, nämlich dass sie den Kontakt nicht wollte. Sie wollte die Fragen zu den von ihr getroffenen Entscheidungen nicht hören. Sie wollte diese Verbindung zur Vergangenheit nicht.
Inzwischen brauchte sie sich keine Sorgen mehr zu machen. Die Verbindung war
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