Die Rückkehr des Sherlock Holmes
armen Frau, Diplome von Universitäten, die mich geehrt haben. Hier ist der Schlüssel. Sie können es sich ja ansehen.«
Holmes nahm den Schlüssel und betrachtete ihn kurz; dann reichte er ihn zurück.
»Nein; ich glaube kaum, daß mich das weiterbringen würde«, sagte er. »Ich ziehe es vor, ruhig in Ihren Garten zu gehen und mir die ganze Sache durch den Kopf gehen zu lassen. Es spricht einiges für die Selbstmordhypothese, die Sie vorgebracht haben. Wir müssen uns bei Ihnen entschuldigen, daß wir Ihnen zur Last gefallen sind, Professor Coram, und ich verspreche Ihnen, daß wir Sie erst nach dem Mittagessen wieder behelligen werden. Um zwei Uhr werden wir wiederkommen und Sie von allem in Kenntnis setzen, was in der Zwischenzeit vorgefallen sein mag.«
Holmes wirkte merkwürdig zerstreut, und wir gingen eine Weile schweigend den Gartenweg auf und ab.
»Haben Sie eine Spur?« fragte ich schließlich.
»Das hängt von den Zigaretten ab, die ich geraucht habe«, sagte er. »Möglich, daß ich mich vollständig täusche. Die Zigaretten werden mich darüber aufklären.«
»Mein lieber Holmes«, rief ich aus, »wie um Himmels –«
»Nun, nun, Sie werden schon sehen. Wenn nicht, war’s auch nicht schlimm. Natürlich können wir noch immer auf die Spur dieses Optikers zurückkommen, aber wenn ich eine Abkürzung nehmen kann, dann nehme ich sie auch. Ah, da haben wir ja die gute Mrs. Marker! Genießen wir fünf Minuten lehrreicher Unterhaltung mit ihr.«
Ich mag schon früher einmal bemerkt haben, daß Holmes, wenn er wollte, auf Frauen außerordentlich einnehmend wirken und ohne weiteres ihr Vertrauen erlangen konnte. In der Hälfte der von ihm genannten Zeit hatte er ihre Gunst erworben und schwatzte mit ihr, als hätte er sie seit Jahren gekannt.
»Ja, Mr. Holmes, genau wie Sie sagen, Sir. Er raucht ganz entsetzlich. Den ganzen Tag und manchmal die ganze Nacht, Sir. Wenn man manchmal morgens in sein Zimmer kommt – nun, Sir, man glaubt, im Londoner Nebel zu stehen. Der arme junge Mr. Smith hat auch geraucht, aber nicht so schlimm wie der Professor. Seine Gesundheit – naja, keine Ahnung, ob ihm das Rauchen schadet oder nützt.«
»Ah«, sagte Holmes, »aber es läßt den Appetit vergehen.«
»Na, davon hab ich keine Ahnung, Sir.«
»Ich nehme an, der Professor ißt so gut wie gar nichts?«
»Nun, das ist verschieden, kann ich nur sagen.«
»Ich wette, er hat heute morgen nicht gefrühstückt, und nach all den Zigaretten, die ich ihn habe rauchen sehen, wird er auch sein Mittagessen nicht ansehen.«
»Tja, da sind Sie aber zufällig auf dem Holzweg, Sir, weil er nämlich heut morgen bemerkenswert gut gefrühstückt hat. Ich wüßte nicht, daß er je ein besseres zu sich genommen hat, und zum Mittagessen hat er eine ordentliche Portion Koteletts bestellt. Ich bin selbst überrascht, denn seit ich gestern in dieses Zimmer kam und den jungen Mr. Smith da auf dem Boden hab liegen sehen, hab ich keinen Bissen mehr runtergekriegt. Nunja, es muß halt solche und solche Menschen geben, und der Professor hat sich davon den Appetit nicht verderben lassen.«
Wir vertrieben uns den Vormittag im Garten. Stanley Hopkins hatte sich ins Dorf begeben, um irgendein Gerücht über eine fremde Frau zu überprüfen, die am Morgen zuvor von ein paar Kindern auf der Chatham Road gesehen worden sein sollte. Was meinen Freund betraf, so schien ihn seine ganze gewöhnliche Energie verlassen zu haben. Nie habe ich ihn einen Fall so halbherzig angehen sehen. Selbst die von Hopkins mitgebrachte Neuigkeit, er habe die Kinder gefunden und sie hätten unzweifelhaft eine genau mit Holmes’ Beschreibung übereinstimmende Frau gesehen, die auch eine Brille oder einen Kneifer getragen hätte, vermochte kein großes Interesse in ihm zu wecken. Aufmerksamer wurde er, als Susan, die uns beim Mittagessen bediente, freiwillig die Information zum besten gab, sie glaube, Mr. Smith sei gestern morgen spazierengegangen und erst eine halbe Stunde vor dem Eintritt der Katastrophe zurückgekommen. Ich selbst vermochte die Bedeutung dieser Tatsache nicht zu erkennen, doch nahm ich deutlich wahr, daß Holmes sie in den allgemeinen Plan mit einwebte, den er sich in seinem Gehirn zurechtgelegt hatte. Plötzlich sprang er von seinem Stuhl auf und sah auf seine Uhr. »Zwei Uhr, Gentlemen«, sagte er. »Wir müssen hinaufgehen und uns mit unserem Freund, dem Professor, auseinandersetzen.«
Der Alte hatte soeben sein Mittagessen beendet, und sein
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